Investoren warten auf Teilprivatisierung der Flugsicherung
enn./noa./da. BERLIN/FRANKFURT, 21. August. Die Politik hat den Weg für eine Teilprivatisierung der Deutschen Flugsicherung (DFS) geebnet. Die mögliche Wahl zum Deutschen Bundestag wird voraussichtlich eine Verzögerung von einigen Monaten bringen. Denn die Bundesministerien für Verkehr und Finanzen haben ihren Zank über das Thema beigelegt. Das Gesetz, das die notwendige Grundlage für eine Veräußerung darstellt, wird zwar wegen der vorgezogenen Neuwahl des Bundestages nicht mehr in dieser Legislaturperiode über die parlamentarische Bühne gehen. Doch über die Notwendigkeit einer Privatisierung der Flugsicherung sind sich inzwischen alle Fraktionen einig. Deswegen wird in Berlin nicht bezweifelt, daß eine neue Bundesregierung, gleich welcher politischen Ausrichtung, die vorliegenden oder allenfalls leicht geänderte Gesetzespläne auf den Weg bringen würde. Der Bundesfinanzminister kann sich aus dem Anteilsverkauf eine Entlastung für seinen Bundesetat von mehreren hundert Millionen Euro erhoffen.
Mitte August beschloß das rot-grüne Kabinett den Gesetzentwurf zur Teilprivatisierung der staatseigenen Gesellschaft Deutsche Flugsicherung. Danach sollen 74,9 Prozent der Anteile verkauft werden; der Bund will eine Sperrminorität von 25,1 Prozent behalten. Das Ministerium, das mit sinkenden Flugsicherungsgebühren und damit geringeren Kosten für die Luftverkehrsunternehmen rechnet, will selbst umfassende Durchgriffsrechte behalten. Auch in Zukunft muß das Unternehmen hoheitliche Aufgaben erfüllen. Die seit 1994 bestehende Kombination ziviler und militärischer Aufgaben der Flugsicherung soll beibehalten werden. Indes werden operative und regulatorische Aufgaben getrennt. Deshalb soll es eine unabhängige Aufsichtsinstanz geben, die beim Luftfahrtbundesamt in Braunschweig angesiedelt sein soll.
Mit der Teilprivatisierung will die Flugsicherung handlungs- und wettbewerbsfähiger werden. Dazu gehören nach dem Wunsch von Branchenkennern aber auch künftige Anteilseigner, die der Luftfahrt verbunden sind. Das Umfeld der DFS würde es gerne sehen, wenn Teile des Bundesanteils von Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Flughäfen wie Frankfurt oder München gehalten würden. Bei der Fraport AG hält man sich zu der Angelegenheit bedeckt und verweist darauf, daß noch keine Bedingungen und Preisvorstellungen des Bundes auf dem Markt seien. Bei der Lufthansa gibt es so etwas wie ein "historisches Interesse". Schon vor Jahren hatten der damalige Vorstandsvorsitzende Jürgen Weber und sein Gegenüber bei der DFS, Dieter Kaden, von einer Übernahme eines Aufsichtsratsmandats durch einen Lufthanseaten gesprochen. Quasi ein Vorgriff auf eine kommende Privatisierung.
Doch ob die DFS den erwünschten Eigentümer aus der Luftfahrtbranche überhaupt bekommt, steht auf einem anderen Blatt. Denn der geplante Verkauf läßt auch zahlreiche Beteiligungsgesellschaften auf den Plan treten. Schließlich ist das Geschäft für Finanzinvestoren prädestiniert. Diese suchen sich gerne "langweilige" Unternehmen mit unspektakulären Renditen, aber stabilen und längerfristig planbaren Mittelzuflüssen. Seien es Kabelnetzbetreiber, Entsorgungsunternehmen oder Immobilien. Denn beim Erwerb belasten sie das Unternehmen mit Schulden, die aus dem Mittelzufluß abbezahlt werden. Dadurch hebeln sie die Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital nach oben. Auch an der Privatisierung von Flughäfen sind Finanzinvestoren interessiert; derzeit bieten beispielsweise unter anderem auch Beteiligungsgesellschaften für den Budapester Flughafen Ferihegy. Anfangs mit dabei war auch die britische Terra Firma, die auch in Deutschland großes Interesse an Projekten der Luftfahrtbranche hat und somit auch ein Bieter für die DFS werden könnte. In der Beteiligungsbranche wird damit gerechnet, daß eine große Zahl von Finanzinvestoren die DFS unter die Lupe nehmen wird. Denkbar sei auch eine gemeinsame Übernahme mit einem Unternehmen aus der Luftfahrtbranche. Bisher halten sie sich freilich noch zurück. "Da müßten eine Menge Themen politischer Art vorab gelöst werden, bevor es als richtiges Geschäft veräußert werden kann", heißt es in der Branche.
Eine Teilprivatisierung der DFS, bei Berücksichtigung der Überwachung des militärischen Flugverkehrs, der nicht zur Privatisierung ansteht, ist für die weitere Zukunft der deutschen Flugsicherung im europäischen Wettbewerb wichtig: Denn durch die Initiative "Single European Sky" der EU-Kommission von 1995 wird es in einem guten Jahr möglich sein, daß auch über die Grenzen der einzelnen europäischen Nationalstaaten Flugsicherungsleistungen angeboten werden. "Das Monopol der DFS wird fallen", sagte Kaden bei der Bilanzvorlage vor einigen Monaten. Er wies darauf hin, daß künftig die DFS wie ihre 40 europäischen Konkurrenten in Drittländern tätig werden darf. Am Beispiel der langwierigen Verhandlungen mit dem Anteilseigner der DFS, der Bundesrepublik Deutschland, um die Gründung der Tochtergesellschaft "The Tower Company" zeigte Kaden, wie wichtig eine weitere Privatisierung der DFS sei. Diese Gesellschaft soll vom kommenden Jahr an Flugsicherheitsdienstleistungen (Platzkontrolle) auf deutschen Regionalflughäfen anbieten (Weeze, Altenburg und Dortmund). Hier tritt sie in den direkten Wettbewerb mit anderen europäischen Anbietern, weshalb das Kostenniveau im Vergleich zur DFS niedriger ist.
Erlöse erzielt die DFS aus zwei Quellen. Haupteinnahmequelle sind die Gebühren, die sie von Luftfahrzeughaltern nach den Prinzipien der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO und Eurocontrol für Flugsicherungs-Dienstleistungen erhebt. Dabei gilt: Die eingenommenen Gebühren müssen die Kosten einschließlich einer Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals decken. Der DFS ist es deshalb nicht möglich, operative Reserven zu bilden, da diese nicht in den Gebührensätzen vorgesehen sind. In begrenztem Umfang dürfen aber Kapitalrücklagen aus der Eigenkapital-Verzinsung gebildet werden. Nach einer Privatisierung würde diese Beschränkung fallen und zu einer Verstetigung der Gebühren führen. Die zweite Erlösquelle sind Erträge aus anderen DFS-Geschäftsbereichen wie beispielsweise der Flugberatung.
Bei einem Umsatzvolumen von 923,4 Millionen Euro erzielte die DFS 2004 trotz einer Gebührensenkung einen Jahresüberschuß von 36,3 Millionen Euro. Der Mittelzufluß (Cash-flow) lag 2004 mit 165,1 Millionen Euro rund 12 Prozent über dem Vorjahr. Die Nettoverschuldung wurde von 236,2 Millionen auf 60,3 Millionen Euro gesenkt. Das Eigenkapital wurde auf 252,7 Millionen Euro aufgestockt.
Anfang des Jahres hat die DFS die Gebühren für ihre Flugsicherungsdienstleistungen deutlich gesenkt - in der Strecke um 20,2 Prozent und im An- und Abflug um 28,3 Prozent. Für den Flug einer Boeing B737 von Hamburg nach München zum Beispiel zahlt eine Fluggesellschaft statt bisher 750 Euro nur noch 581 Euro an die Flugsicherung. Der Flug eines Airbus A340 von Frankfurt nach New York schlägt mit 630 Euro statt 830 Euro für den deutschen Anteil der Strecke zu Buche.
Die Flugsicherung koordiniert täglich mehrere tausend Flugbewegungen, im Jahr mehr als 2,7 Millionen. Dafür betreibt sie in Langen bei Frankfurt eine der größten Kontrollzentralen Europas sowie vier weitere Radarkontrollzentralen in Berlin, Bremen, Karlsruhe und München. Außerdem ist die DFS in der Maastrichter Eurocontrol-Zentrale, an den 17 internationalen Flughäfen Deutschlands und an den Regionalflughäfen Niederrhein und Altenburg-Nobitz durch Fluglotsen und anderes Fachpersonal vertreten. Neben dem Tagesgeschäft entwickelt die DFS Flugsicherungs-, Ortungs- und Navigationssysteme. Das Unternehmen sammelt alle flugrelevanten Daten und läßt sie in seine Produkte und Dienstleistungen wie Luftfahrtkarten und Flugberatung einfließen.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Druckausgabe vom 22. 08. 2005