Fliegende Betten
noa. FRANKFURT, 26. Dezember. Wegen der guten weltwirtschaftlichen Lage und der zunehmenden Verflechtung des internationalen Wirtschaftslebens ist eine Renaissance der Business-Klasse in den Flugzeugen zu beobachten. Denn viele Geschäftsreisende reisen mehr und auch weiter weg und wollen deshalb entspannt ankommen, bevor sie Gespräche und Verhandlungen führen müssen. In vielen Unternehmen setzt sich deshalb die Erkenntnis durch, daß es sinnvoll sein kann, den im Vergleich zur Economy-Klasse deutlich höheren Preis für ein Business-Klasse-Ticket zu bezahlen. Zahlen der Fluggesellschaften und der großen Geschäftsreiseketten zeigen, daß es einen Trend zum besseren Fliegen gibt.
Die Fluggesellschaften haben das erkannt und möbeln ihre Business-Klassen auf. Die meistens dreistelligen Millionenbeträge werden als Investition in die Wettbewerbsfähigkeit verstanden; man will dem Konkurrenten, der seine Business-Klasse noch nicht modernisiert hat, Kunden abwerben. Die Deutsche Lufthansa hat diesen Trend schon seit einiger Zeit erkannt und hat das Premiumangebot für rund 300 Millionen Euro, ebenso wie Air France, ausgebaut. Schon 2003 begann die Lufthansa damit, ihre Business-Klasse aufzurüsten, heute kann man sie auf vielen Langstreckenflügen erleben. Sie stößt auf große Zustimmung der Kunden, vor allem seitdem die technischen Schwierigkeiten mit der Bordunterhaltung gelöst worden sind. Die alte Business-Klasse weist einen Sitzabstand zum Vordersitz von 120 Zentimetern auf, in der neuen Variante ist der Abstand 30 Zentimeter größer. Auf Langstreckenflügen macht aber vor allem die Ruheposition den Unterschied aus: 180 Grad Sitzneigung ermöglichen ein fast flaches Liegen und sind zu den 135 Grad zuvor eine spürbare Verbesserung. Vor allem wegen dieser wesentlich bequemeren Liegeposition ist eine Überarbeitung der First Class dringend geboten. Denn deren Vorsprung im Komfort ist merklich geschwunden. Ursprünglich wollte die Lufthansa ihre neue First Class zusammen mit der Einführung des Großraumflugzeugs A 380 präsentieren. Weil nun die Auslieferung verschoben wurde und der erste A 380 erst im Jahr 2009 die Flotte ergänzen wird, wird die Premiere der neuen Königsklasse in den anderen Langstreckenflugzeugen der Gesellschaft stattfinden.
Weil die Business-Klasse das profitabelste Segment fast aller international tätigen Fluggesellschaften ist, hat in den vergangen Monaten ein regelrechter Wettkampf im Aufrüsten eingesetzt. Nicht nur British Airways, die Erfinder des fliegenden Bettes, sondern auch Austrian Airlines bieten breitere und komfortablere Sitze an. Bei British Airways ist die Business-Klasse so profitabel, daß einige Boeing 747 auf der Langstrecke mit 52 statt mit der üblichen 38 "Club-World-Betten" ausgestattet worden sind. Für die gesamte "Club World"-Ausstattung der 747- und der 777-Flotte gibt die Gesellschaft mehr als 150 Millionen Euro aus. In gut eineinhalb Jahren sollen alle Langstreckenflugzeuge überarbeitet werden; dann werden die Sitze um ein Viertel auf 64 Zentimeter verbreitert werden. Waagerechtes Schlafen ist dann bei einer Sitzneigung von 183 Grad ebenso möglich wie eine gewisse Privatsphäre.
Die österreichische Fluggesellschaft Austrian Airlines, die beschlossen hat, unrentable Langstreckenflüge zu streichen, wertet auf den verbliebenen Routen ihr Angebot auf. Auch hier wächst die Sitzbreite je nach Flugzeugtyp auf 46 oder 51 Zentimeter, und in der Liegeposition mißt das "Bett" dann noch 195 Zentimeter, was von anderen Gesellschaften aus dem asiatischen Raum noch überboten wird.
Die ganz große Modernisierung probt derzeit die Cathay Pacific, die neben der Business-Klasse auch die First- und die Economy-Klasse völlig überarbeitet. Die neuen Sitze werden vom kommenden Jahr an ausgeliefert; die Umrüstung auf der Langstrecke wird spätestens 2009 abgeschlossen sein. Trennwände in der Business-Klasse schirmen vom Mitreisenden ab; die Bewegungsfreiheit wird durch die versetzte Anordnung der Sitze erweitert: man muß, wenn man seinen Sitz verläßt, nicht mehr über den Nachbarn steigen. Mit 81 Zentimeter Breite und einer Liegefläche von 205 Zentimetern stellt die Cathy Pacific dem zahlungsbereiten Passagier ein fliegendes Bett zur Verfügung.
Daß Laptops mit Strom versorgt werden können, ist in dieser Klasse in allen Fluggesellschaften Standard. Von 2007 an müssen allerdings einige ihr Online-Angebot einstellen, und zwar diejenigen, die mit Connection by Boeing verbunden waren. Das Geschäftsmodell hat sich nämlich für Boeing nicht gerechnet, weil wohl selbst die fleißigste Führungskraft nachts lieber ruht, als E-Mails zu bearbeiten. Das trifft auch die Lufthansa, die allerdings versichert, sie suche nach einer Ersatzlösung. Dies kann indes dauern.
Abgeschlossen ist die Umrüstung bei Malaysia Airlines. Die Staatsfluglinie hat ihre 17 Boeing 747- und 17 777-200-Maschinen schon umgerüstet. Verbessert hat die arabische Gulf Air ihre Klasse für Vielflieger. Rund 8 Millionen Euro hat sie dafür ausgegeben. Einen direkten Zugang zum Gang für jeden Business-Klasse-Passagier wird es von Mai an in den Maschinen von Singapore Airlines geben. Singapore ist seit langem für ihren Komfort bekannt. Sie setzt sich allerdings nicht bei der Sitzbreite an die Spitze, sondern spendiert jedem Sitz einen 39 Zentimeter großen LCD-Monitor, USB-Schnittstellen und Netzanschlüsse. Der Monitor dient nicht nur der Unterhaltung, sondern bietet die Möglichkeit, mit Office-Programmen zu arbeiten.
Sämtliche Fluggesellschaften erwarten, daß der Umbau ihrer wirtschaftlich bedeutendsten Klasse sich auch rentiert. Zum einen ist die Business-Klasse - mehr noch als die erste Klasse - wichtig für die Kundenbindung. Zum anderen ermöglicht die Ausstattung im Flugzeug eine Unterscheidung gegenüber der Konkurrenz. Schließlich sind sich die Flugzeugmuster, ob von Airbus oder Boeing, alle sehr ähnlich. Deshalb entscheidet das Innenleben. Nur dort kann die Fluggesellschaft Individualität beweisen. Weil die Renovierung großer Flotten teuer ist, wird in längeren zeitlichen Abständen umgebaut; dabei können rasch fünf Jahre bis zum nächsten Wechsel vergehen. Damit paßt man sich zum Beispiel dem Modellwechsel der E-Klasse von Mercedes oder der 5-Reihe von BMW an. Denn wer einen gewissen Komfort in seinem Dienstfahrzeug gewohnt ist, der will auch zum Geschäftstermin in Schanghai oder Los Angeles bequem reisen.
Der wieder wachsende Premiumbereich von Business und First Class in der Luftfahrt ist das für die Fluggesellschaften mit Abstand lukrativste Segment. Zwar liegt der Anteil der Passagiere mit Business- oder First-Class-Tickets nur bei knapp 20 Prozent, ihr Anteil an den Verkehrserlösen beträgt aber schätzungsweise rund die Hälfte.
Quelle: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Nr. 300 vom 27.12.2006