Flugzeugbestellungen aus Indien sind gefährdet
che. BOMBAY, 17. Juli. Die Massenbestellungen neuer Flugzeuge aus dem Wachstumsmarkt Indien scheinen zusehends gefährdet: Die privaten Linien in Indien, viele von ihnen arbeiten nach dem Niedrigkostenmodell, geraten ins Trudeln. Analysten des australischen Centre for Asia Pacific Aviation warnen, daß die indischen Privatlinien in diesem Geschäftsjahr kumuliert mindestens 250 Millionen Dollar Verluste schreiben werden. Eine vergleichbare Summe erwarten sie für das kommende Jahr.
Die Fluggesellschaften in Indien, die wie Pilze aus dem Boden sprießen, geraten von mehreren Seiten unter Druck: Die Börse spielt unerwartet nicht mehr mit, die schwache Rupie macht den Zukauf von - in Dollar abgerechneten - Ersatzteilen teuer, die Flugpreise brechen in einem starken Wettbewerb um Fluggäste weg, die Kosten steigen durch die hohen Treibstoffpreise und die Knappheit an Piloten. Zugleich aber haben die Linien Bestellungen bei Airbus und Boeing für etwa 200 Maschinen im Gesamtwert von rund 32 Milliarden Dollar ausstehen. "Es wird ein Blutbad in der Branche in Indien geben", warnt der Analyst Kalpesh Parekh von ASK Raymond James in Bombay. Zwar hat Airbus nach Angaben eines Unternehmenssprechers bislang keine Kenntnis oder Hinweise auf Stornierungen von Aufträgen. Branchenkenner in Indien indes rechnen täglich damit, daß Fluggesellschaften ihre Aufträge zumindest hinausschieben müssen.
Die Aktienkurse von Jet Airways, Spicejet und Deccan Aviation haben sich seit Mai in etwa halbiert. Jet Airways hat den geplanten Börsengang abgesagt, mit dem Flugzeugkäufe finanziert werden sollten. Das gleiche gilt für Kingfisher Airlines, die 200 Millionen Dollar an der Börse erzielen wollte. Indigo, die einhundert Maschinen bei Airbus bestellt hat, wird den Betrieb mindestens zwei Monate später als geplant aufnehmen. Goair hat 20 Maschinen bei Airbus für einen Listenpreis von 1,2 Milliarden Dollar ausstehen. Jagson Airlines, die 13 Maschinen bei Airbus bestellen wollten, hat die Betriebsaufnahme auf einen unbekannten Zeitpunkt verschoben. Deccan mußte den Preis junger Aktien um 15 Prozent senken und die Angebotsfrist verlängern.
Der Konkurrenzkampf in Indien wird immer gnadenloser: Die Zahl der Flugzeuge hat sich innerhalb von drei Jahren verdoppelt, da sechs neue Fluggesellschaften den Betrieb aufgenommen haben. Weitere sechs wollen noch in diesem Jahr hinzukommen. Die Folge ist ein Preiskampf, der sich nur für die Fluggäste rechnet. Geringeren Erlösen durch die Börsengänge und niedrigeren Ticket-Preisen aber stehen steigende Treibstoffkosten entgegen und höhere Kosten am Boden aufgrund des Abfertigungschaos auf den überlasteten Flughäfen.
Ein Teufelskreis zeichnet sich ab: "Es wird immer schwieriger für private Billiglinien, Geld auf dem freien Markt zu bekommen, weil inzwischen jedermann weiß, daß wir Kapital verbrennen", klagt Mohan Kumar, Finanzchef von Air Deccan.
Quelle: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 18.07.2006