Dem Grazer Arzt Peter Wasler verdanken viele Opfer eines Flugzeugabsturzes in Kenia ihr Leben - jetzt schenkt er Tausenden Massais medizinische Hilfe
"MIT MUT", sagt er, hat das Ganze wahrscheinlich wenig zu tun gehabt. Ich war dort, ich habs tun müssen und ich habs getan. Ohne viel nachzudenken. Die Angst, die man überwinden muss, um mutig sein zu können, ist bei mir erst viel später gekommen . . ."
Der 28. November 2002 hat im Leben des bekannten Grazer Sport-Arztes Peter Wasler einen ganz besonderen Stellenwert. Damals, in der ostafrikanischen Savanne, ist etwas in ihm geschehen, das er innerlich wohl nie vollständig verarbeiten wird können. Es geht um das menschliche Leben und seine Zerbrechlichkeit. Um jene Sekunde, die plötzlich über Sein oder Nicht-Sein entscheidet. Und um Dankbarkeit. "Damals war ich froh, leben zu dürfen - und ich war, das habe ich plötzlich unheimlich intensiv gespürt, auch dankbar, dass ich Arzt sein konnte." Ohne den Grazer wären einige Menschen heute wahrscheinlich nicht mehr am Leben.
Die erste Afrika-Reise mit Freunden, heitere Safari im Grenzgebiet von Kenia und Tansania. "Wir saßen in der ,Mara-Intrepid-Lodge beim Mittagessen, als plötzlich Hektik losbrach. Ein Flugzeug sei in der Nähe abgestürzt, sagte man uns. Wir sind sofort in einen Geländewagen gesprungen und losgerast. Eineinhalb Kilometer weiter lag das Wrack. Eine zweimotorige Propellermaschine, die zur Notlandung gezwungen war. Dabei hatte sich eine Tragfläche in einem Wasserloch verfangen, das Flugzeug wurde um 180 Grad herumgerissen und beinahe völlig zerstört. Nur zerborstenes Blech und Rauch und der scharfe Kerosingeruch. Der Co-Pilot lag tot neben dem Cockpit, der Pilot irrte als einziger Unverletzter im Schock durch die Savanne. Zwei Dutzend Verletzte, fast alle schwer. Offene Beinbrüche, Serienrippenbrüche. Blut, Schmerzensschreie, ein paar Hilferufe, verzweifeltes Wimmern, es war unglaublich. Ich habe zwar eine Zeitlang im Grazer Unfallspital gearbeitet, aber das war viel mehr. Ich war allein, der einzige Arzt und ich war gezwungen, blitzartig Entscheidungen zu treffen, die über Leben oder Tod bestimmen konnten."
Zum Glück und eigentlich ohne realen Grund, hatte Peter Wasler eine überdimensionale Reiseapotheke dabei. Wohl die Vorsicht des Afrika-Neulings. "Aber die Infusionen und das Verbandszeug, das ich mit hatte, waren nach den drei ersten Versorgungen verbraucht. Und die meisten Verletzten lagen noch im Wrack-Inneren."
Später sagten ihm Experten, dass es Wahnsinn war, was er dann unternommen hatte. Das Wrack hätte jeden Augenblick explodieren können. "Ich habs tun müssen und ich würde es wohl wieder tun", sagt er heute. Und: "Ich bin ohne zu Überlegen ins Innnere gekrochen. Dort wars so dunkel, dass ich eine Taschenlampe gebraucht hab. Ich habe die Verletzten - Touristen aus der Schweiz, Deutschland, Holland und Schottland - notdürftig versorgt, ihnen Mut zugesprochen und dann mit Hilfe Einheimischer ins Freie gebracht."
Drei Tage später war der Grazer wieder zu Hause. Aber Afrika und das Erlebte haben ihn nie mehr losgelassen. "Vor dem Absturz hatten wir einige ,Clinics, das sind Krankenstationen im Busch, besucht. Ausser einem kleinen Gebäude, wenigen, falsch gelagerten, meist auch längst abgelaufenen Medikamenten und einem einheimischen Sanitäter gibt es dort nicht viel."
Zwei Jahre lang sammelte er alles, was dem Menschen im Massai-Land helfen kann. "Ich hab Pharma-Firmen angeschnorrt, vieles selbst gekauft und einen Riesen-Container mit Medikamenten und Verbandszeug gefüllt. Anfang März bin ich dann wieder nach Kenia geflogen."
Sie erinnerten sich noch an den Mann, der damals nach zwei Stunden erschöpft und blutüberströmt aus dem Flugzeugwrack gekrochen war. "Der Sohn des Massai-Königs hat mich empfangen und dann zehn aus seinem Ältestenrat zur feierlichen Medikamenten-Übernahme abbefohlen. Als diese mich, den weißen ,Daktari gesehen haben, hat plötzlich jeder ein Wehwehchen gehabt und ich habe an Ort und Stelle spontan ordinieren müssen. Es war großartig und ich habe es gerne gemacht." Später wurde der Steirer zum Mittelpunkt eines Stammesfestes. "Dabei haben sie mir den Ehrennamen ,Ole Saruni verliehen. Das heißt übersetzt , der Helfer".
Jetzt ist Peter Wasler wieder in Graz. Und er sammelt erneut. "Im Juni fliege ich mit Frau, unseren beiden Kindern und der nächsten Medikamentenladung hinunter. Schmerzmittel und Antibiotika werden dringen gebraucht, das größte Problem ist aber die Malaria. Da brauche ich noch eine Menge von Mitteln, die dagegen helfen."
Der 52-Jährige, Ex-Vereinsarzt vom SK Sturm, und "rettender Engel" vieler verletzter Spitzensportler, hat sich nämlich entschlossen, zwei "Clinics" zu "adoptieren". Er wird sie auch in Zukunft mit aller Kraft betreuen. Flugangst hat "Ole Saruni" - trotz der hautnahen "Crash-Erfahrung" - keine. Im Gegenteil. Zur Zeit macht Peter Wasler bei der Grazer Motorflug-Union gerade den Privatpilotenschein . . .
Quelle: Neue Kronen-Zeitung" vom 06.04.2005 Seite: 28