Privat im Jet Fliegen wird immer entspannter.
Im Wettstreit um lukrative Business-Kunden führen manche Airlines bereits ihre zweite Bettengeneration ein - im Stil von Séparées.
Spricht man heute mit etwas in die Jahre gekommenen Vielfliegern, bedauern diese regelmäßig, dass die Fliegerei ihren luxuriösen Nimbus verloren habe. Das mag für das Publikum und seine Einstellung zum Reisen zutreffen. Aber gleichzeitig hat sich der Luxus an Bord dramatisch weiterentwickelt - besonders in den gehobenen Klassen. Der internationale Jetset ist zum Bettset geworden, nicht nur in der ersten Klasse.
War vor zehn Jahren ein größerer Sitzabstand schon das herausragendste Merkmal der Business-Class, wenden sich heute Vielflieger mit Ekelschauern ab, wenn sie nicht wenigstens ein passables Bett vorfinden. Die Fluggesellschaften überbieten sich im Versuch, es den meistzahlenden Kunden noch bequemer zu machen, die zwar nur höchstens 20 Prozent aller Fluggäste ausmachen, aber 80 Prozent der Umsätze für die Airlines generieren.
Schon bisher boten etwa Singapore Airlines (SIA) und Cathay Pacific aus Hongkong Bettsitze an, die beim Komfort in vielen Umfragen an der Spitze standen, zuletzt wieder in der größten Passagierbefragung der Welt vom englischen Skytrax-Institut (http://www.airlinequality.com) mit fast 15 Millionen Befragten.
Doch die beiden Vorzeigeairlines konnten bislang nur Liegen offerieren, die nicht vollständig horizontal sind. Die Füße verschwinden irgendwo im Fußraum des Vordermanns, während der Kopf ein gutes Stück höher lagert. Die Konkurrenz hingegen bettet seine Kunden teils auf ebenen Polstern. Gerade solche Flugbetten kommen bei den Passagieren gut an. British Airways hatte die Mitbewerber Ende der 90er-Jahre mit einem solchen Bett düpiert. Dazu mussten die Sitze im "Yin-Yang-System" eingebaut werden - jeder zweite Passagier fliegt rückwärts. Dass er dabei oftmals einem Mitflieger permanent in die Augen schauen musste, entnervte aber viele, so dass British Airways mittlerweile eine renovierte Klasse mit Sichtblenden vorgestellt hat. Die Liegefläche von 1,83 Metern blieb, aber dank versenkbarer Armlehnen sind die Sitze mittlerweile breiter geworden.
"Was wir heute in vielen Business-Class-Produkten sehen, ist dem weit voraus, was vor zehn Jahren in First Class geboten wurde", resümiert Skytrax-Chef Edward Plaisted. Denn neben der BA haben gerade die asiatischen Fluglinien unglaubliche Standards gesetzt, wie Singapore Airlines (SIA) in der Boeing 777-300ER, die einmal täglich auch Frankfurt anfliegt. Das Revolutionäre an dieser Business-Class-Kabine ist die geringe Sitzanzahl pro Reihe - statt wie bisher bei SIA und anderen Gesellschaften sieben Sitze in 2-3-2-Anordnung stehen jetzt nur noch vier Sitze in 1-2-1-Konfiguration in jeder Reihe. "Die geräumigste, die die Welt je gesehen hat", nennt die SIA ihre Business-Class in der Eigenwerbung, mit 76 Zentimeter Sitzbreite übertreffe der neue Sitz alte Standards um nahezu 50 Prozent. Den rechten und linken Arm gleichzeitig auf den Armlehnen abzulegen ist hier nur für sehr breit gebaute Menschen möglich. Ähnliche Sitze sollen künftig auch im Airbus A380 zu finden sein.
Cathay legt allerdings noch einen drauf und verbucht für sich in der neuen Business-Class, die erst ab 2008 regelmäßig nach Frankfurt kommt, einen fünf Zentimeter breiteren Sitz und vor allem mit 198 Zentimetern ein Bett, das auch groß gewachsenen Europäern eine ausgestreckte Nachtruhe verspricht. SIA dagegen punktet stets mit größeren Bildschirmen. Doch worauf es wirklich ankommt, ist die tatsächliche Platzausnutzung.
SIA weist in der Business-Class nur 130 Zentimeter Sitzabstand auf - was auf den ersten Blick mager anmutet gegenüber Abständen von bis über zwei Metern bei einigen Konkurrenten, aber trotzdem selbst Großgewachsenen volles Ausstrecken auf flacher Ebene ermöglicht. Des Rätsels Lösung sind eben gerade die Ausmaße jeder Sitzeinheit in der Breite und nicht in der Länge. Um den Platz besser auszunutzen, ragen die Beine des Hintermanns jeweils in eine kastenförmige Aussparung in den Sitz davor. Um zu schlafen und die volle Fläche zum Ausstrecken nutzen zu können, muss der Fluggast sich in eine diagonale Position begeben. Der Kopf liegt also zum Beispiel links am Gang, die Füße rechts am Fenster in der Aussparung. Ein wenig ungewohnt, aber keinesfalls unbequem, und durch relativ hohe Wände bietet der Sitz ein Höchstmaß an Privatsphäre. Auch muss niemand mehr über den Sitznachbarn klettern, da alle Plätze Gangplätze sind.
In ihrer runderneuerten Business-Class bedient sich Cathay dagegen der neuartigen Heringsgräten-Anordnung, in der alle Sitze diagonal angeordnet sind. Virgin Atlantic (auf Platz zwei der Skytrax-Umfrage) hatte dies schon vor ein paar Jahren eingeführt, und Air New Zealand ist damit ebenfalls sehr erfolgreich. Auch Air Canada bietet seit diesem Frühsommer auf ihren Boeing 777 als erste nordamerikanische Gesellschaft eine vergleichbare Business-Bestuhlung auf einem ihrer beiden täglichen Flüge von Frankfurt nach Toronto. Die indische Jet Airways fliegt mit solchen zum Gang gerichteten Liegestätten auf ihren neuen Routen von Indien via Brüssel (und ab 2008 Deutschland) nach Nordamerika.
Durch hohe Trennwände bietet diese Konfiguration viel Privatsphäre, was es allerdings für gemeinsam Reisende ein wenig schwer macht - sie müssen ihren Kopf über die Wand strecken, um einen Blick auf den Gesprächspartner zu erhaschen. Allerdings ist der Teil der Sessel-Bett-Kabinen-Kombo, auf dem beim Schlafen die Füße liegen, im eingeklappten Zustand eine Ottomane. Dort können sich Mitflieger für einen kleinen Plausch vis-à-vis hinsetzen. Für längere Besprechungen sind die schmalen Schemel allerdings ungeeignet.
Entscheidendes Plus sind die in dieser Anordnung vollkommen ebenen Liegeflächen, die mit der platzsparenden Neigung der heutigen Produkte vieler Gesellschaften wie etwa der Lufthansa brechen. Absolut ebene, versetzt angeordnete Betten in Business bietet auch Etihad Airways aus Abu Dhabi. Sie haben ein Kabinen-Layout mit versetzten Sitzen, lediglich die beiden mittleren Sitze sind zusammen. Liegefläche und Armlehnen fallen sehr schmal aus, und das erleuchtete Business-Abteil wirkt dank der ungewöhnlichen Beleuchtung ein wenig wie ein Nachtclub.
Qantas nutzt die baldige Einführung der A380 für eine Verbesserung ihrer Business-Class und rüstet auch die Sitze in ihren anderen Flugzeugen zu 180° ebenen Betten um. Und sogar die lange untätigen Amerikaner investieren endlich in zeitgemäße Business-Produkte - American Airlines bietet auf vielen Europa-Flügen bereits geneigte Liegesitze, und United wird ab Herbst absolut ebene Betten in Business installieren, Delta kann damit ab Deutschland erst 2010 aufwarten.
Andreas Spaeth
Quelle: Handelsblatt Nr. 183 vom 21.09.07