Privatjets für alle!
Während Tausenden von Jahren hat die Menschheit davon geträumt, fliegen zu können. Bis es uns verleidet ist, hat es knapp hundert Jahre gedauert. Dieser Tage fliegt ja die halbe Welt gerade wieder irgendwohin. Die Magie des Fliegens wird dabei kaum jemand mehr spüren. Stattdessen: Menschenmassen, Enge, Verspätungen. Fliegen ist das Purgatorium der Mobilitätsgesellschaft geworden, auf dem Weg zum nächsten Sehnsuchtsort. Wer einmal genötigt worden ist, an einem Flughafen wie zum Beispiel Moskau-Scheremetjewo umzusteigen, dem ist klar, dass das Zeitalter, als das Fliegen ein Versprechen für Glamour und Romantik war, für immer der Vergangenheit angehört. (Der Flughafen Scheremetjewo wirkt, als habe sich ein krypto-kommunistisches Regime einen kapitalistischen Albtraum ausgedacht, aus Millionen von Läden, die alle den gleichen hässlichen Ramsch verkaufen, bis zu bizarr teuren Restaurants, die Gerichte servieren, die man kaum essen kann. Essen muss man aber irgendwann, will man in diesem Duty-free-Gulag nicht verhungern, weil die Anschlusszeiten in Moskau so lange sind, dass man "Krieg und Frieden" von vorne bis hinten lesen kann). Doch wie ist aus dem Wunder des Fliegens eine Geissel der Menschheit geworden? Manche sagen, es liege an der Hub-Struktur des Flugverkehrs. 26 Grossflughäfen wickeln 75 Prozent aller Flüge ab. Dadurch wird das Fliegen beim Fliegen, das heisst der Teil der Reise, der tatsächlich in der Luft stattfindet, im Vergleich zur Reise am Boden immer geringer. Dies bedeutet: Transfer zum Flughafen, anstehen beim Check-in, wieder anstehen beim Sicherheitscheck, Schuhe ausziehen und wieder anziehen, und wenn man dann nach acht Stunden tatsächlich irgendwo angekommen ist: der Zoll! 20 Prozent länger befindet sich ein Fluggast heute vor dem Start und nach der Landung auf der Reise als noch vor zehn Jahren.
Gibt es eine Lösung? Vielleicht. Und erstaunlicherweise ruhen die Hoffnungen dabei nicht auf immer grösseren Flugzeugen und Flughäfen, sondern
auf kleineren. Mikro-Jets für 6 bis 8 Personen, die auch auf kurzen Pisten landen können, sollen schon bald die Super-Hubs entlasten. Einige der führenden Airlines sind bereits dabei, ihre Flotten um Kleinflugzeuge zu ergänzen. Das heisst zwar mehr Turbulenzen in der Luft, aber weniger "Scheremetjewo" am Boden. Abenteuer statt Agonie! Wir können die Micro-Jets kaum erwarten. (cz.)
Quelle: "Neue Zürcher Zeitung" vom 30.07.2006
