Wie Phönix aus der Asche
Mit einem neuen Geschäftsmodell will SR Technics im harten Konkurrenzkampf Marktanteile holen. Man setzt auf ein umfassendes Flotten-Management.
Birgit Voigt
Die Zahlen sind verheissungsvoll: 26 000 Passagierflugzeuge sollen bis in zehn Jahren die Lüfte durchpflügen. Heute sind es laut der Beratungsfirma Aero Strategy "erst" 17 500. Die Prognosen lassen nicht nur Flugzeugbauer hoffnungsfroh erschauern, auch die Wartungs-Industrie reibt sich die Hände. 10 Mrd. $ setzte Europa als zweitgrösster Markt nach den USA 2005 um. Trotz massivem Kostendruck müssen die Fluggesellschaften weiterhin gewissenhaft unterhalten.
Dennoch steckt die sogenannte MRO-Branche (für maintenance, repair und overhaul) ebenso wie die übrige Flugindustrie in einem schnellen Strukturwandel. Zahlreiche Fluggesellschaften haben ihre Wartungsdivisionen als Profitcenter auf die freie Wildbahn geschickt. Die Hersteller von Motoren und Ersatzteilen dringen als Anbieter von Serviceleistungen in den Markt ein. Übernahmen sind an der Tagesordnung. Die Zersplitterung ist gross. Europa zählt über 100 Anbieter verschiedenster Herkunft und Grösse.
Auf in den Osten
Die Konkurrenz ist knallhart und der Preis oft das entscheidende Argument. Viele Anbieter ziehen ostwärts, Lufthansa Technik als Europas grösster Anbieter mit einem Umsatz von 3,1 Mrd. Euro hat beispielsweise in Ungarn einen Standort eröffnet.
In diesem Haifischbecken will sich bald auch die SR Technics als börsenkotierte Gesellschaft bewähren. Das Schweizer Unternehmen bietet heute weltweit 5000 Arbeitsplätze an, davon 2800 in der Schweiz. 2005 erzielte SR Technics einen Umsatz von 1,3 Mrd. Fr. und musste aufgrund von Integrationskosten für zugekaufte Firmen einen Verlust von 2,5 Mio. Fr. einstecken.
Trotzdem: Dass SR Technics als kotierte Aktiengesellschaft bald ein neues Kapitel in der eigenen Unternehmensgeschichte schreiben könnte, ist eine schöne Erfolgsgeschichte. Ende 2001, nach dem Grounding der Swissair-Gruppe, hing das Überleben am dünnen Faden. Der für die Aufräumarbeiten nach dem Swissair-Debakel eingesetzte Sachwalter Karl Wüthrich musste im Interesse der Gläubiger vor allem einen hohen Preis beim Verkauf der SR Technics erzielen. Die Verhandlungen zogen sich über ein Jahr hin. Als die Wagniskapital-Gruppe 3i ihr Interesse anmeldete, wurde sie nach eigenem Empfinden erst einmal nicht mit offenen Armen empfangen. "Man sagte uns damals in aller Freundlichkeit, das Geschäft der SR Technics sei zu kompliziert für einen branchenfremden Investor. Es stand klar die Idee im Vordergrund, SR Technics an einen Konkurrenten oder Flugzeughersteller zu verkaufen", erinnert sich Michael Petersen, geschäftsführender Partner von 3i Schweiz. Doch das 3i-Team liess nicht locker. Sie glaubten daran, dass SR Technics auch als selbständiges Unternehmen eine Chance hätte, denn der MRO-Markt würde sich für einen unabhängigen Anbieter dank dem Aufkommen von Billig-Airlines gut entwickeln. Die würden keine eigene Wartung aufbauen, waren die 3i-Leute überzeugt. Und sie würden die Aufgabe wohl lieber einem Unabhängigen übergeben statt der Wartungstochter eines Konkurrenten. Auch das Management unter Beyeler war vom Alleingang als bester Lösung für die Arbeitsplätze in der Schweiz überzeugt. Die beiden unterschiedlichen Parteien fanden sich zusammen. Für 618 Mio. Fr. konnte die SR Technics Ende 2002 schliesslich von 3i, weiteren Private-Equity-Investoren und dem Management gekauft werden.
Die Finanzierung dieses Deals musste SR Technics selber schultern. Dieses Verfahren ist bei Übernahmen durch Private-Equity-Firmen üblich. Es soll mit dem geringstmöglichen Einsatz an eigenen Mitteln ein Maximum an Ertrag erwirtschaftet werden. Im Falle der SR Technics zahlten die neuen Aktionäre lediglich 15 Mio. Fr. Eigenkapital ein. Gleichzeitig erhielt SR Technics von den Grossaktionären sowie nahestehenden Banken unterschiedlich strukturierte Darlehen in Gesamthöhe von rund einer halben Mrd. Fr. Die Zinskosten für dieses Fremdkapital beliefen sich 2005 auf 36 Mio. Fr.
Wichtige Zukäufe
Angesichts der hohen Fremdfinanzierung war und ist der Zustrom verfügbarer Mittel (Cashflow) das A und O. Daraus müssen Investitionen und Darlehenszinsen bezahlt werden. "Wir hatten Glück", sagt Beyeler, der Ende 2005 sein Amt als CEO an Hans Lerch abgegeben hat. Beyeler sitzt weiterhin als grösster Privataktionär im Verwaltungsrat von SR Technics. "Wir konnten die anspruchsvollen Renditevorgaben unserer Geldgeber immer erfüllen und auch Zukäufe finanzieren."
Tatsächlich hat sich die Firma in vier Jahren zu einem unabhängigen Anbieter von technischen Gesamtlösungen in der Luftfahrtindustrie entwickelt. SR Technics versucht, nicht mehr nach herkömmlichem Muster Wartungsaufträge durchzuführen, sondern bietet den Airlines ein umfassendes Flotten-Management an: ein innovatives, kapitalintensives Geschäftsmodell. Nebst der Expertise für Airbus-Maschinen aus Swissair-Zeiten hatte man zuvor mit dem Zukauf der FLS Aerospace in England/Irland auch das Know-how für Boeing eingekauft und damit gleichzeitig die Anzahl der Standorte von einem auf drei erhöhen können. "Wir sind heute ein schönes Stück weiter", sagt Petersen, "aber ein echtes Standbein in Asien fehlt noch", fügt er kritisch an.
Nach Ansicht von Analysten könnte der Börsengang eine Marktkapitalisierung von über 1 Mrd. Fr. bescheren. Damit würde sich das Unternehmen eine vernünftige Finanzstruktur verschaffen. Für CEO Hans Lerch gibt es bis zum Börsengang noch einiges zu tun: "Bis vor wenigen Jahren war SR Technics einfach eine Division der Swissair. Das Know-how im Kernbereich Technik war da, aber viele Supportfunktionen waren beim Mutterkonzern angesiedelt. Die Finanzabteilung ist heute auf einem internationalen Standard, doch in anderen Sparten müssen wir noch arbeiten."
Quelle: Neue Zürcher Zeitung vom 21.05.2006