Luftfahrtstandort Hamburg
Hamburg ist nach Seattle und Toulouse weltweit das drittgrösste Zentrum der zivilen Luftfahrtindustrie. Mächtigen Schub verleiht der A380. Das Werkgelände von Airbus ist auf das Doppelte gewachsen, Lufthansa Technik bereitet sich auf den Unterhalt des Luftriesen vor.
ege. Hamburg, Ende April
Hundertfünfzig Hektaren - eine Fläche, die 215 Fussballfeldern entspricht - sind für die Erweiterung des Werkareals der Airbus Deutschland der Elbe abgerungen worden. Rund 700 Millionen Euro, wovon 100 Millionen für Naturschutz, hat die partielle Aufschüttung des Mühlenberger Lochs gekostet. Die Aufschüttung gilt als Bereitstellung von Industriegelände und wird durch die Stadt Hamburg getragen. Seit dem Herbst 2003 sind auf dem neu gewonnenen Gelände mächtige Hallen für den A380 entstanden. Geplant ist eine Halle für den noch in Entwicklung stehenden A350. Nach eigenen Angaben hat Airbus in den letzten vier Jahren täglich 2 Millionen Euro am Standort Hamburg investiert.
500 Kilometer Kabel
Für den A380 erstellt das Werk in Hamburg-Finkenwerder Aluminiumteile für den Rumpf und fügt Rumpfteile zusammen, die aus dem Werk Stade in Niedersachsen und aus dem norddeutschen Nordenham angeliefert werden. In der Halle für die Grosskomponentenfertigung (Major Component Assembly) werden die Rumpfschalen zu Rumpfsektionen zusammengebaut. Hamburg ist zuständig für die Sektion gleich hinter dem Cockpit und jene hinter den Tragflächen sowie für die obere Rumpfschale über den Flügeln. In die Sektionen werden die Kabinensysteme eingebaut, so zum Beispiel die hydraulischen Leitungen, die Rohre der Klimaanlage und der Wasserversorgung sowie die elektrischen Kabel. Insgesamt werden im A380 500 Kilometer Kabel verlegt. Der Zusammenbau der Rumpfsektionen und der Flügel erfolgt in Toulouse.
Nach der Endmontage machen die A380 Station in Hamburg für die Kabinenausstattung. Sie umfasst Wand- und Deckenverkleidungen, Beleuchtung, Toiletten, Bordküchen, Bestuhlung und das Bordunterhaltungssystem. Auch die Lackierung in den Farben der Fluggesellschaften erhalten die A380 in Hamburg. Die neue Lackierhalle, laut Airbus die weltweit umweltfreundlichste Anlage ihrer Art, bietet zwei Flugzeugen Platz. Eine einfache Lackierung - Grundfarbe, Farbe und Decklack - macht den A380 um 650 Kilogramm schwerer. Das Lackieren erfolgt in Handarbeit. Airbus hat 60 arbeitslose Autolackierer für diese Aufgabe geschult und eingestellt. 11 000 Mitarbeiter beschäftigt Airbus in Hamburg Finkenwerder, wovon 2500 im Programm A380. Über 1000 Arbeitsplätze - viele in hochspezialisierten Berufen - sollen noch hinzukommen. - Die A380, die an Fluggesellschaften in Europa und im Mittleren Osten gehen, werden ab Hamburg ausgeliefert. Alle anderen Maschinen werden zur Auslieferung nach Toulouse geflogen. 16 Fluggesellschaften aus allen Erdteilen haben bis heute 159 A380 fest bestellt. 27 sind Frachter.
Erprobungen der Kabine
Die Ausstattung der Kabine wird in Hamburg elektronisch und physikalisch auf Herz und Nieren geprüft. In Kabinensegmenten, im Massstab 1:1 für das Testzentrum gebaut, werden Luft- und Wasserversorgung, Akustik und Temperaturregelung akribischen Tests unterzogen. 16 verschiedene Klimazonen weist das doppelstöckige Flugzeug auf. So muss beispielsweise die Klimaanlage in der Ersten Klasse anders gesteuert werden als in der enger bestuhlten Economyklasse.In einem Simulator, der arg schütteln und rütteln kann, werden sowohl die Stabilität der Inneneinrichtung wie auch die Befindlichkeit der Passagiere unter verschiedenen Einwirkungen getestet. Zur Prüfung des Leitungssystems für Wasser und Abwasser dient eine 60 Meter lange schwenkbare Anlage. Untersucht wird, ob in Kurven und bei gewissen Neigungswinkeln Verstopfungen im Rohrsystem auftreten können. Als Standard führt das Riesenflugzeug 2300 Liter Frischwasser mit.
Neue Dimensionen
beim Unterhalt
Lufthansa Technik, die in Hamburg 6000 Mitarbeiter beschäftigt, ist seit fünfzig Jahren neben dem Flughafen Hamburg ansässig. 35 Arbeitsgruppen befassen sich derzeit mit dem künftigen Unterhalt der A380. Der Riese passt in keine der bestehenden Hallen, auch gibt es noch keine Geräte für Wartungsarbeiten am 24 Meter hohen Seitenleitwerk. Für die Lagerung von A380-Komponenten ist in Hamburg die Spairliners GmbH gegründet worden, ein Joint Venture von Lufthansa Technik AG und Air France Industries. Prestigeträchtig - wenn auch noch in fernerer Zukunft - ist die Very-VIP-Ausstattung des A380 für gut betuchte Privatkunden. Airbus hat mit Lufthansa Technik eine Vorvereinbarung für die Zusammenarbeit bei solchen Ausstattungs-Projekten unterzeichnet.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung vom 08.05.2006