"Wenn wir eine Crew finden"
Von: Leo Szemeliker
Zwei Tage in San Diego Motorräder Test fahren - kein schlechtes Angebot von Harley Davidson. Die Anreise? Ein Klacks, nur schnell nach Frankfurt, flugs nach Chicago, und mir nix, dir nix nach San Diego, in die Stadt mit dem Gaslampenviertel und den Kriegsschiffen vor der Küste.
Doch wir haben die Rechnung ohne die Thunderstormseason und die amerikanischen Airlines gemacht.
Bis Frankfurt: Lufthansa. Kein Problem, bis auf die Umbauten im Terminal, wo man deswegen über Berge wohlgenährter US-Bürger steigen musste, um zum Gate zu gelangen. Der Flug mit United Airlines nach Chicago (neun Stunden) war noch recht angenehm. Der Pilot sagt, dass über Michigan Unwetter hinwegzogen, die aber bei Ankunft verschwunden sein werden.
Die Unwetter waren weg, als die Maschine in O'Hare aufsetzte. Nicht die Folgen: Sämtliche Flüge waren verspätet. Der Airport muss an Normaltagen eine Million Menschen handeln. An diesem besagten Donnerstag standen vor den Umbuchschaltern Schlangen, die eine halbe Meile lang waren. Gedränge, Geschiebe, Gehupe von Trolleys, Klimaanlagen, die Arktisklima verursachen. Und mitten im Chaos irrte eine kleine Gruppe Deutscher und Österreicher durch die Terminals, flackernden Blickes auf der Suche nach dem United-Flieger nach San Diego, der je nach Auskunft an den diversen Schaltern/Anzeigetafeln a) gecancelt, b) von C24, c) von B9, nur später oder d) von B11 abfliegt, aber nur, wenn "wir eine Crew finden". B11 stimmte fünf Stunden später. Allerdings ging es nach Los Angeles. ("Sie können gern in Chicago bleiben, es gibt aber kein freies Hotel mehr.") In L.A. empfingen uns United-Mitarbeiter und setzten uns in einen 30 Jahre alten Linienbus, Kunstledersitzbezüge, keine Kopfstützen. Trotzdem sind alle Passagiere eingeschlafen. War ja ein erlebnisreicher Tag.
Bei der Rückreise zwei Tage später hatten wir es mit einem defekten Flugzeug, einem coolen Captain, dessen Servicecenter auf En-Route-Anfragen zu Anschlussflügen einfach schwieg, sowie mit einer kompetenten Lufthansa-Mitarbeiterin zu tun. Dank ihr dauerte die Heimreise schließlich nur 19 Stunden. Statt 34.
Quelle: "Der Standard" vom 29.07.2006