Nach den rauschenden Feiern beim Jungfernflug des Super-Airbus A380 kommt die europäische Luftfahrtindustrie verkatert zur großen Branchenmesse nach Paris-Le Bourget. Die Begeisterung über den A380 wurde vom Katzenjammer über Verspätungen bei der Auslieferung abgelöst. Der Machtkampf um die Konzernspitze tobt weiter und für den geplanten "kleinen Bruder" des Mega-Airbus, den A350, gibt es kaum Vorbestellungen. Der 787 "Dreamliner", das Konkurrenzprodukt des US-Konzerns Boeing, scheint hingegen zum Renner zu werden.
Auch die weltgrößte Flugtechnikschau im französischen Le Bourget wird heuer von dem derzeit dominanten Duell in der Luftfahrtbranche - Airbus vs. Boeing - dominiert.
Der französische Präsident Jacques Chirac besichtigte bei der Eröffnung des 46. Luftfahrtsalons einen Riesen-Airbus der neuen Baureihe A380. Der A380 sei "ein europäischer Erfolg", jubelte Chirac.
Doch hinter dem Prestigeobjekt A380 sieht es bei Airbus eher trist aus: Seit Monaten steht man nach einem Machtkampf ohne Spitze da, die Lieferungen für den Super-Airbus verzögern sich, und für den geplanten A350 gibt es kaum Aufträge. Und so wittert die US-Firma Boeing, die für ihren 787 "Dreamliner" bereits etliche Bestellungen hat, wieder Höhenluft.
Airbus führungslos
Europas Marktführer EADS sagte sogar seine Pressekonferenz in Le Bourget ab, weil sich Franzosen und Deutsche seit Monaten im Streit um das Führungsduo und den Chefsessel bei Airbus blockieren.
Viel besser geht es Boeing - zumindest was die Führung betrifft - auch nicht: Seit Anfang März sucht man einen Nachfolger für Harry Stonecipher, der über eine "unmoralische Liebesaffäre" im Unternehmen gestürzt ist.
Erbitterter Subventionsstreit
"Peinlich, unnötig und schädlich" nennen Rüstungs- und Luftfahrtindustrielle in Le Bourget den zähen Machtkampf bei EADS. Das Pariser Wirtschaftsblatt "Les Echos" lästerte gar über die "Drohnen" bei EADS und Boeing.
Beide stehen im Zentrum des vor der Welthandelsorganisation (WTO) ausgetragenen Konflikts um Subventionen von EU und USA. Beide kämpfen mit politischer Unterstützung und innovativen Produkten wie dem A380 und dem 787 "Dreamliner" erbittert um Kunden und Marktführung. Und beide können sich interne Führungsquerelen jetzt weniger leisten denn je.
Verzögerungen bei A380
Doch für EADS wiegt das Führungsproblem stärker als für Boeing. Während der US-Konzern mit Riesenaufträgen für den 787 und einem florierenden Rüstungsgeschäft wieder obenauf ist, hängen Airbus die Verzögerungen beim A380 und mangelnde Entwicklungskapazitäten zum schnellen Kontern des 787 mit dem geplanten A350 wie Blei an den
Flügeln.
Auf das falsche Pferd gesetzt?
Schon im Vorfeld des Jungfernflugs des A380 Ende April im südfranzösischen Toulouse hatten Experten spekuliert, ob EADS wirklich auf das richtige Pferd gesetzt hatte: Zu groß könnte der A380 sein, während derzeit eher mit kleineren Flugzeugen Geld zu machen sei.
Und mit den Schwierigkeiten beim Prestigeprojekt leide genau die Entwicklung des "kleineren Bruders" A350.
Aufatmen nach ersten Bestellungen
Erst Ende September will man entscheiden, ob der A350 in die industrielle Projektphase geht. Bis vor kurzem war man praktisch ohne Aufträge dagestanden, während man sich bei Boeing schon über Verhandlungen mit Kunden für fast 700 Maschinen des Konkurrenzprodukts 787 freute.
Sichtbar erleichtert zeigte sich Airbus am Montag, als am ersten Tag der Luftfahrtmesse die Fluggesellschaft Qatar Airways Interesse an 60 A350-Maschinen anmeldete. Auch der wichtigste Airbus-Kunde, Emirates Airlines soll die Bestellung von 50 Jets vorbereiten.
Quelle: http://www.orf.at / 14. Juni 2005 / 09:02 Uhr