Geräumig statt gigantisch: Airbus A380 im Passagierflug
TOULOUSE (dpa) - Die meisten Passagiere spüren gar nicht, als Kapitän Peter Chandler und sein Kollege Wolfgang Absmeier die Schubhebel des Airbus A380 auf Vollgas schieben. Sanft aber schwungvoll hebt der Riesenjet nach knapp 20 Sekunden Startlauf ab. Die Triebwerke brummen leise, vom Krach älterer Jets ist in dem neuen Airbus nichts mehr zu spüren.
«Wir begrüßen sie herzlich an Bord, unser Flug wird ungefähr zwei Stunden dauern», sagt Chandler so routiniert wie bei einem Linienflug. Für ihn und seinen Kollegen Absmeier aus dem Team der Airbus-Testpiloten sind die Flüge mit dem Giganten schon seit fast zwei Jahren Routine. Nach der Erprobung von Cockpit und Flugzeugsystemen steht jetzt die Kabine auf dem Prüfstand. Klimasysteme, Sitze und Unterhaltungsprogramm müssen ihre Alltagstauglichkeit beweisen, bevor im Oktober das erste Linienflugzeug bei Singapore Airlines abhebt.
Zufrieden mit dem fliegenden Arbeitsplatz ist zum Beispiel Lufthansa-Flugbegleiterin Salome Saremi. Auch wenn die deutsche Gesellschaft voraussichtlich erst 2008 ihre erste A380 bekommt, arbeiten die Servicespezialisten schon bei Probeflügen mit. «Wir sind schon alte Hasen auf dem A380. Es ist immer ein großartiges Gefühl, mit dem Flugzeug zu fliegen», sagt Saremi. Normalerweise fliegt sie A340 und Boeing 747. «Durch das Design und den vielen Platz ist das ein ganz entspanntes Gefühl, hier zu arbeiten. Man hat gar nicht das Gefühl, dass so viele Leute an Bord sind.»
Breite Gänge, hohe Decken - beim Einsteigen in den Airbus A380 erinnert nichts an die Enge kleiner Kurzstreckenflugzeuge. In der Luft fühlt sich der Riesen-Airbus für den Passagier genauso vertraut an wie andere Langstreckenflugzeuge.
Der Jet mit der Seriennummer 007 gehört zur Flotte der Versuchsflugzeuge, mit denen Airbus die Leistungsfähigkeit des neuen Flaggschiffs prüft. Die Kabine ist dabei ein Entwurf von Airbus. Wie die Fluggesellschaften später ihre A380 ausstatten, ist individuell unterschiedlich. Startkunde Singapore Airlines gab im vergangenen Oktober einen ersten Eindruck wie die Passagiere bei den ersten A380-Linienflügen im Herbst 2007 sitzen werden.
«Das wird ein völlig neues Fluggefühl», sagt Peter Tomasch, Sprecher von Singapore Airlines (SIA). «Wir bauen zum Beispiel nur 480 Sitze anstelle der von Airbus angedachten 550 Plätze ein», erklärt der SIA-Sprecher. Breite Ledersessel in der Business-Class, mehr Platz auch in der Economy, so plant SIA die A380. Dazu kommt ein aufwendiges Unterhaltungsprogramm mit Dutzenden Videoprogrammen, Musikkanälen und Computersystemen. «In der First Class wird es noch eine Schippe mehr», sagt Tomasch. Genaue Details des Premium-Abteils hat die Gesellschaft noch nicht genannt.
Größter Unterschied zum Boeing-Jumbo ist beim A380 das durchgehende Oberdeck: Eine geräumige Freitreppe, die schon fast an die Eingangsbereiche von Kreuzfahrtschiffen erinnert, führt zur zweiten Etage. Eine Wendeltreppe im Heck ist die zweite Verbindung zwischen den beiden Decks. In der oberen Etage erinnert das Raumgefühl an den Flug mit einem mittelgroßen Airbus A340, das fast sieben Meter breite Hauptdeck wirkt ähnlich wie in einem Jumbo.
Die Piloten der A380 sitzen nicht so hoch, wie ihre Kollegen im Cockpit eines Jumbo-Jets. Dort ist das Cockpit ganz vorn im Oberdeck untergebracht - in der A380 liegt es zwischen den beiden Etagen. Viel Platz und modernste Flugsteuerung prägen das Bild. Dennoch hat Airbus im Cockpit des neuen Flaggschiffs bewusst auch auf Traditionen des Hauses gesetzt. Das Cockpit ähnelt in vielen Teilen den Airbus A340-Jets. So entfallen aufwändige Umschulungen für Kapitäne und Co-Piloten.
Bis die ersten Linienpassagiere einsteigen, vergeht voraussichtlich noch ein halbes Jahr. «Die erste Auslieferung ist für Oktober geplant und wir sind zuversichtlich, dass es dieses Mal auch klappt», sagt SIA-Sprecher Peter Tomasch. Dann kommen zunächst Reisende auf der Strecke Singapur - Sydney in den Genuss der A380. Erst wenn weitere Jets geliefert sind, bedient Singapore Airlines die Strecke London - Singapur - Sydney komplett mit A380. Auf dieser Route wird die Konkurrenz unter den A380-Betreibern in den nächsten Jahren am größten: Emirates aus Dubai und die australische Qantas sind ebenfalls große Kunden für den Airbus-Riesenjet.
Ein Beitrag von Hans-Hermann Nikolei und Heiko Stolzke für die Deutsche Presse Agentur (DPA)
