Bombardier vor der Wende
Von Jens Flottau
Frankfurt - Der kanadische Luftfahrtkonzern Bombardier Aerospace steht womöglich vor einer strategischen Wende. Der Aufsichtsrat des Unternehmens will am kommenden Mittwoch über den Start der geplanten neuen C-Serie-Baureihe entscheiden. An dem umstrittenen Projekt hängt nach Einschätzung von Branchenexperten die Zukunft von Bombardier im zivilen Flugzeugmarkt, die Erfolgsaussichten werden aber als fraglich eingeschätzt.
Mit der C-Serie, einem etwa 130-sitzigen Regionaljet, versucht Bombardier wieder mit einem neuen Projekt Fuß zu fassen, nachdem der brasilianische Konkurrent Embraer in den vergangenen Jahren große Erfolge mit neu entwickelten Regional-Flugzeugen mit zwischen 70 und 120 Sitzen gefeiert hat.
Kunden insolvent
Bombardier will nach den Worten von Unternehmenschef Pierre Beaudoin unbedingt noch in diesem Jahr den Start des Programmes beschließen, um nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Indes hat der Hersteller durch das Insolvenzverfahren von Northwest Airlines einen Rückschlag hinnehmen müssen. Northwest galt als heißer Kandidat, der C-Serie als Erstkunde auf die Sprünge zu verhelfen, eine Flugzeugbestellung während des Chapter 11-Verfahrens gilt aber als so gut wie ausgeschlossen.
"Wir brauchen zwischen 50 und 100 Bestellungen von mindestens zwei Kunden", sagte Beaudoin jüngst in einem Interview. Für die Entwicklungszeit werden ungefähr fünf Jahre veranschlagt. Das Projekt hat sich aber nicht nur wegen der schleppenden Nachfrage verzögert. Bombardier hatte erhebliche Schwierigkeiten, einen Triebwerkshersteller für die Maschine zu finden und ist schließlich bei Pratt & Whitney Canada fündig geworden.
Bombardier ist immer noch der drittgrößte Flugzeughersteller nach Airbus und Boeing, allerdings holt Embraer schnell auf und wird den Konkurrenten wohl bald überholen. Der kanadische Konzern hat sich Ende der 90er Jahre anders als Embraer und der Pleite gegangene deutsch-amerikanische Anbieter Fairchild Dornier gegen die Neuentwicklung von größeren Regionaljets entschieden. Doch die Nachfrage nach dem einstigen Bestseller CRJ-100/200, einem 50-Sitzer, ist in den vergangenen beiden Jahren so stark eingebrochen, dass Bombardier ab Januar die Produktion zeitweise einstellen wird.
Der mit Abstand größte Kunde für das Flugzeug, Delta Air Lines, hat ebenfalls Gläubigerschutz beantragt. Außerdem fällt es immer mehr Fluggesellschaften schwer, die kleinen Jets mit ihren vergleichsweise hohen Stückkosten profitabel einzusetzen, weil die Ticketpreise immer weiter sinken. Auch die Lufthansa hat zuletzt ihre CRJ-Flotte verkleinert.
Mit der C-Serie geht Bombardier ein erhebliches Wagnis ein. Das Flugzeug wäre, wenn es wirklich gebaut wird, so groß, dass es direkt mit Airbus- und Boeing-Modellen konkurrieren würde. Beobachter gehen davon aus, dass die beiden Etablierten mit erheblichen Preisnachlässen versuchen werden, mögliche Bombardier-Kunden weiter an sich zu binden.
Extremer Wettbewerb
"Das Flugzeug wird mit einem extremen Wettbewerb fertig werden müssen", glaubt die Investmentbank Merrill Lynch. Konzernchef Beaudoin schreckt das offenbar nicht: "Wenn sie mit uns konkurrieren wollen, dann glauben wir, ein Produkt zu haben, mit dem wir sie schlagen können."
Andere zweifeln indes, ob Bombardier sich wirklich durchsetzen kann, und zwar nicht nur wegen der Konkurrenzlage. "Wir haben starke Zweifel, dass das Flugzeug kommerziell erfolgreich sein wird", schreibt Merrill Lynch. "Bombardier scheint nicht im großen Stil neue Technologien einzusetzen, durch die die Leistungen wesentlich besser würden, als bei heute verfügbaren Flugzeugen", heißt es weiter.
Merrill Lynch zeichnet deswegen für die gesamte kommerzielle Luftfahrtsparte des kanadischen Mischkonzerns ein ziemlich düsteres Bild: "Bombardier könnte zu einem drittrangigen Hersteller werden." (Firmen des Tages)
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Druckausgabe vom 28. 11. 2005