ORF.at wrote:Regierung akzeptiert auch anderes Modell
Für die Opposition hat sich die Chance zum Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag aufgetan: Die zweite Bauserie des Kampfjets wird bis 2007 nicht fertig, die bestellten Modelle können nicht rechtzeitig geliefert werden. Stattdessen soll Österreich mit Einverständnis der Regierung Modelle aus der ersten Serie bekommen. Das Pikante daran: Berichte über Pannen dieser Baureihe hatte gerade die Regierung immer mit dem Kommentar quittiert, dass Österreich Jets aus der zweiten Serie bekommen werde.
Späteres Nachrüsten versprochen
Immer wieder gab es Berichte über Pannen bei der ersten Eurofighter-Tranche. Die Eurofighter können nicht zum vereinbarten Termin an das österreichische Bundesheer geliefert werden: Im Mai 2007 werden laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "profil" noch keine Flugzeuge aus der zweiten Baureihe verfügbar sein, die Österreich bestellt hatte.
Das Magazin beruft sich in seiner aktuellen Ausgabe auf einen "Sachstandsbericht über den Fortschritt des Vorhabens Eurofighter" des deutschen Verteidigungsministeriums an den Bundestag. Das Büro von Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP) bestätigt die Probleme.
Angst vor Rücktritt vom Vertrag?
Der Inhalt des Berichts wurde "profil" auch von einem Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin bestätigt. Demnach kann der Hersteller, die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH in München, den vereinbarten Liefertermin für bestellte Jets unmöglich einhalten.
Statt Jets der technisch weiterentwickelten zweiten Tranche sollen nun sechs Maschinen aus der älteren ersten Baureihe an das Bundesheer geliefert werden. Damit solle verhindert werden, dass Österreich ein vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht ausübe, heißt es.
Maschinen aus anderen Bestellungen
Die Maschinen werden dem Bundesheer von den Luftwaffen der Herstellerländer Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien überlassen und befinden sich laut "profil" derzeit in Produktion. Sie sollen später auf den Standard der zweiten Tranche nachgerüstet werden.
Dass die Herstellerländer Österreich Flugzeuge abtreten, dürfte ihnen nicht ungelegen kommen: Sie sind als Produzenten zur Abnahme großer Kontingente des Jets verpflichtet - es gilt jedoch als offenes Geheimnis, dass sie aus Kostengründen ein paar davon loswerden wollen.
Berichte über Pannen
Die Hersteller betonen vor allem, dass die erste Tranche genau so gut wie die zweite sei - mit gutem Grund: Immer wieder gab es Berichte über Pannen bei der ersten Serie, von der Bewaffnung über die Flugtauglichkeit bis hin zur Lebensdauer der Einzelteile.
Pikanterweise hatte gerade Platters Ressort die Berichte immer mit der Bemerkung vom Tisch gewischt, Österreich werde aus der zweiten Tranche beliefert. "Mit Sicherheit sind wir nicht das Versuchskaninchen", versprach der Minister damals wörtlich.
Beweis der eigenen Klugheit?
In Platters Ressort sieht man in jenen Vertragspassagen, die dem Hersteller auch eine Ersatzlieferung aus der ersten Bauserie erlauben, jedenfalls alles andere als ein Problem. Vielmehr sieht man diese als Beleg für die eigene "kluge Voraussicht".
Durch den Vertragspassus sei die Verteidigung von Österreichs Luftraum jedenfalls gewährleistet, heißt es. Für die Opposition sind die Lieferprobleme beim Eurofighter hingegen die herbeigesehnte Chance, doch noch aus dem Vertrag aussteigen zu können.
Platters Ressort sieht Beleg für Klugheit
Verteidigungsministerium und ÖVP loben sich für die umstrittenen Vertragspassagen.
Das Verteidigungsministerium hat bestätigt, dass Österreich 2007 vorerst nur Eurofighter der ersten Liefertranche bekommen wird, sieht darin aber kein Problem. Im Kaufvertrag habe man eben in "kluger Voraussicht" für alle Eventualitäten vorgesagt, heißt es.
Es sei bereits im Kaufvertrag vereinbart worden, dass die Herstellernationen Flugzeuge der Tranche eins liefern müssen, wenn 2007 noch keine Tranche zwei lieferbar ist, sagte die Sprecherin von Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP), Lisa Berger.
Kein Verständnis für "Aufregung"
"Oberste Prämisse war es, lückenlose Luftraumüberwachung zu garantieren", so die Sprecherin. Durch die Bereitstellung von Eurofightern der ersten Bauserie stehe fest, dass Österreich 2007 vertragskonform die ersten Eurofighter bekomme.
Wenn Jets der ersten Tranche geliefert würden, so sei die Firma Eurofighter GmbH verpflichtet, diese im Nachhinein auf eigene Kosten auf den technischen Stand der Tranche zwei zu adaptieren. Aus Bergers Sicht ist die "Aufregung" also "völlig unberechtigt".
ÖVP verteidigt Vertrag
Berger verwies darauf, dass der Kaufvertrag mit den entsprechenden Passagen auch vom Rechnungshof geprüft wurde. Der hatte indes lediglich festgehalten, dass auch die Möglichkeit einer Lieferung von Jets der ersten Tranche tatsächlich Vertragsinhalt sei.
Es sei sichergestellt, dass Österreich am Ende der Lieferfrist "ohne Mehrkosten und ohne qualitative Verluste 18 Maschinen des Tranche-zwei-Standards" haben werde, so Berger. Auch ÖVP-Wehrsprecher Walter Murauer verteidigte den Vertrag mit diesem Argument.
"Sehr vorausschauend"
Dass man nun Eurofighter der Tranche eins erhalte, sei auf den "sehr vorausschauend angelegten" Vertrag zurückzuführen, so Murauer. Die Opposition betreibe "routinemäßige Panikmache". Außerdem sei der "österreichische Eurofighter" schon in Produktion.
Kein Problem sieht auch die Eurofighter GmbH. Jene Jets, die jetzt für Österreich vorgesehen seien, hätten die gleichen Flugfähigkeiten wie die der zweiten Tranche, sagte ein Sprecher. "Tranche eins ist genauso gut wie Tranche zwei." Es gehe lediglich um kleine Adaptionen, die aber ohne Kosten für Österreich vorgenommen würden.
SPÖ und Grüne sehen Chance zum Ausstieg
Die SPÖ will durch Zitate von Platter belegen, wie die Regierung nun die "Wahrheit verdrehen" will.
SPÖ und Grüne haben sich am Samstag neuerlich für einen Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag ausgesprochen. Da zum vereinbarten Liefertermin im Mai 2007 noch keine Jets der Tranche zwei verfügbar sein werden, sei nun die Chance zum "Gratis-Rücktritt" vom Kauf gekommen.
Aus der Sicht von SPÖ-Rechnungshofsprecher Günther Kräuter gibt es nun eine "einzigartige und ultimative Chance für einen sofortigen Austritt aus dem Eurofighter-Deal". Auch der Grüne Peter Pilz sieht einen "klaren und eindeutigen Vertragsbruch" der Anbieter.
Einmalige Chance?
"Jetzt oder nie" sei Österreich in der "Position, ohne gewaltigen finanziellen Schaden aus dem Eurofighter-Vertrag auszusteigen", betonte Kräuter am Samstag in einer Aussendung. Denn Faktum sei, dass nicht vertragsgemäß geliefert werden könne.
SPÖ bietet "Hilfe" bei Ausstieg an
Auch würden die Verkäufer mit der Lieferung von Ersatzflugzeugen eben gerade verhindern wollen, dass Österreich sein Rücktrittsrecht vom Vertrag ausübe. Kräuter forderte die sofortige Einberufung einer Sondersitzung des Rechnungshofausschusses für die nächste Woche.
Bei dieser Sitzung solle der Eurofighter-Kaufvertrag dem Parlament vorgelegt werden. Gemeinsam mit den Abgeordneten sollten die rechtlichen Schritte zur Vertragsauflösung erarbeitet werden, so Kräuter. Außerdem warf er der Regierung vor, die Wahrheit zu verdrehen.
Kräuter listet Platter-Zitate auf
Dass die Regierung behaupte, die Flugzeuge der ersten Serie seien jenen der zweiten Serie ebenbürtig, wertet Kräuter als "neuen Tiefpunkt politischer Kultur". In einer weiteren Aussendung listete er zum Beweis Zitate von Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP) auf.
So habe Platter etwa am 6. Oktober 2004 im Rechnungshofausschuss erklärt, man habe sich "bewusst für Flugzeuge aus der zweiten - weiterentwickelten - Tranche entschieden". Noch im Juli 2004 garantierte Platter zudem eine Lieferung aus dieser Tranche.
Pilz: "Panikartige Rettungsaktion"
Pilz erklärte wiederum, an dem "Vertragsbruch" durch die Jet-Anbieter ändere auch die "panikartige Rettungsaktion des deutschen Verteidigungsministers nichts", der versuche, von anderen Ländern das Eurofighter-Vorgängermodell für Österreich aufzutreiben.
Platter habe nur noch eine Möglichkeit, nämlich den Eurofighter-Vertrag zu kündigen. Österreich entstünden aus dieser Vertragskündigung keine Kosten. "Es ist die letzte Chance für die österreichische Regierung, gratis aus dem Vertrag auszusteigen", so Pilz.
Den Artikel findet ihr hier: http://www.orf.at/050924-91610/index.html