Wir bleiben immer einen Schritt voraus"

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LOWA
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Wir bleiben immer einen Schritt voraus"

Post by LOWA » 3. Apr 2008, 09:59

"Wir bleiben immer einen Schritt voraus"

Im Gespräch: Laurent Beaudoin, der Vorstandsvorsitzende des Schienenfahrzeugherstellers und Flugzeugbauers Bombardier

Bombardier aus Montreal im kanadischen Quebec ist Marktführer unter den Schienenfahrzeugherstellern und drittgrößter Flugzeugbauer der Welt. An diesem Donnerstag legt der Vorstandsvorsitzende Laurent Beaudoin, der Schwiegersohn des Gründers, seine letzte Bilanz vor: Am 13. Mai wird er 70 Jahre alt, im Juni weicht er seinem Sohn Pierre; die Familie hält die Aktienmehrheit und dominiert den Verwaltungsrat. Laurent Beaudoin, der in jedem seiner Geschäfte die Marktführerschaft anstrebt, hält die vorübergehende Krise bei Bombardier für ausgestanden.

Monsieur Beaudoin, im Juni übergeben Sie die Konzernleitung an Ihren Sohn Pierre, bleiben aber im Verwaltungsrat. Wird das sein wie zu Hause: Der Vater wacht darüber, dass der Filius nicht über die Stränge schlägt?

Das wird nicht nötig sein. Mein Sohn arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Unternehmen, leitet Bombardier Aerospace und ist jetzt schon mein Stellvertreter. Ich habe nicht vor, ihm reinzureden. Aber wenn er mich braucht, bin ich da. Als Vater und Verwaltungsrat.

Das Haus ist wohlbestellt?

Ich denke schon. Als ich das Unternehmen 1964 von meinem Schwiegervater übernahm, dem Gründer Joseph-Armand Bombardier, machten wir einen Umsatz von 10 Millionen Dollar. Im Geschäftsjahr 2006/2007 waren es fast 15 Milliarden. Wir sind Weltmarktführer bei Schienenfahrzeugen, als Flugzeugbauer sind wir die Nummer drei hinter Airbus und Boeing und Marktführer bei Regional- und Geschäftsflugzeugen. Das kann sich sehen lassen, denke ich.

Ganz so rosig verlief die Geschichte nicht. Erst brachte Ihnen 2002 die Luftfahrtsparte Aerospace herbe Verluste ein, dann zwei Jahre lang die Bahnsparte Transportation. Im Schienenfahrzeugbau mussten Sie fast ein Fünftel der Arbeitsplätze streichen und in Europa sieben der 35 Werke schließen. Wegen der Misere warf Bombardier-Chef Paul Tellier 2004 das Handtuch, so dass Sie die Führung übernehmen mussten.

In der Tat haben wir zwei größere Rückschläge erlitten, nach der Ölkrise in den siebziger Jahren und nach 2001. Da hatte unser Bereich Transportation das Unternehmen Adtranz gekauft und damit Überkapazitäten erworben, die wir schmerzhaft abbauen mussten. Gleichzeitig litt Aerospace unter den Terroranschlägen in Amerika. Diese schweren Zeiten sind jetzt aber vorbei, wir stehen sehr solide mit beiden Beinen auf der Erde.

Trotz der Finanzkrise, trotz des schwachen amerikanischen Dollars, trotz des hohen Ölpreises? Und trotz der drohenden Rezession in Amerika?

Wenn wir am Donnerstag dieser Woche unsere Zahlen bekanntgeben, werden Sie sehen, wie gut die Geschäfte gelaufen sind. Das setzt sich in diesem Jahr fort. Zum einen können wir uns auf Rekordaufträge in allen Geschäftszweigen stützen, das sind die Umsätze und Gewinne von morgen. Zum anderen sind die Finanzpositionen unserer Bilanz grundsolide, und die Liquidität ist hoch. Drittens haben wir äußerst innovative Produkte, zum Beispiel die Turboprop-Maschinen der Serie Q400. Die sind in Zeiten hoher Ölpreise sehr begehrt, weil sie Treibstoff sparen.

Q400 sorgte eher wegen einer Unfallserie der skandinavischen Fluggesellschaft SAS für Schlagzeilen. Die zog daraufhin alle 27 Maschinen aus dem Verkehr und bekommt jetzt mehr als 100 Millionen Euro Entschädigung von Ihnen . . .

Der Fehler ist behoben. Immer mehr Fluggesellschaften ordern Q400, zuletzt hat Air Berlin zehn Maschinen bestellt. Sehr beliebt sind auch unsere neuen größeren Regionaljets mit 100 Sitzen. 50 Maschinen sind schon verkauft, das Potential ist zehnmal so hoch.

Die Konkurrenz schläft nicht. China hat gerade seinen ersten Neunzigsitzer vorgestellt, die ARJ21, Mitsubishi kündigt den Bau eines eigenen Regionaljets an. Das sind direkte Angriffe gegen Sie und Ihren Hauptkonkurrenten aus Brasilien, Embraer.

Das schreckt uns nicht. Wir können dem Kunden eine viel größere Palette anbieten und bleiben technisch, qualitativ und kostenseitig immer einen Schritt voraus. Denken Sie an die neue C-Serie für bis zu 130 Passagiere, mit der wir 2013 in einen ganz neuen Markt vorstoßen. Der Treibstoffverbrauch ist um 20 Prozent geringer, die Betriebskosten sinken um 15 Prozent. Das Interesse der Fluggesellschaften daran ist außerordentlich groß.

Ihr zweites Standbein, der Schienenverkehr, ist viel weniger rentabel. Die Marge von Bombardier Transportation mit Sitz in Berlin erreicht nur 4,4 Prozent statt der 6 Prozent im Flugzeugbau.

Wir streben für Aerospace 8 Prozent und für Transportation 6 Prozent an und sind auf gutem Weg dahin. In den alten Schienenverkehrsmärkten sind wir ebenso erfolgreich wie in den neuen. In Wien haben wir gerade das modernste Straßenbahnwerk Europas eröffnet, in Deutschland den größten Auftrag in der Geschichte der Deutschen Bahn erhalten. In China und Russland gibt es gut funktionierende Gemeinschaftsunternehmen. In Indien errichten wir ein neues Werk und haben soeben einen weiteren Auftrag der Metro in Delhi erhalten.

Wie weit sind die Fusionsverhandlungen mit dem russischen Zughersteller Transmash?

Wir führen keine Fusionsverhandlungen, sondern ergebnisoffene Gespräche über den weiteren Ausbau unserer erfolgreichen Zusammenarbeit über die bereits bestehenden zwei Joint Ventures hinaus. Natürlich hoffen wir auf einen positiven Abschluss der Gespräche, aber im Moment kann niemand sagen, ob, wann und in welcher Form es dazu kommt. Erst dachten wir, es hätte im vergangenen Jahr klappen können, dann dieses Jahr. Vielleicht wird es aber auch erst im nächsten Jahr etwas.

Woran hapert es?

Transmash geht durch eine umfassende Transformation. Die Gruppe ist in kürzester Zeit aus unterschiedlichen, voll integrierten Unternehmen entstanden. Plötzlich muss man sich auf neue Märkte, neue Techniken und eine neue Geschäftskultur einstellen. Für Transmash ist es nicht einfach, jetzt auch noch mit einem ausländischen Partner zusammenzuarbeiten. Uns fallen andere Dinge nicht leicht, zum Beispiel den Wert der einzelnen Transmash-Gesellschaften zu bemessen.

Ihr Schwiegervater hat Bombardier 1942 als Produzent von Schneemobilen gegründet. Was ist eigentlich aus dem Geschäft geworden?

Das gehört noch immer unserer Familie, ist aber seit 2003 nicht mehr Teil des Konzerns. Dieses Unternehmen Bombardier Recreational Products stellt die tollsten Fahrzeuge her: neben Schneemobilen auch Jetski, Sportboote, Karts oder Quads. Unser neuester Wurf ist der Spyder, eine Art Motorrad mit zwei Rädern vorn, eine irre Kiste!

Sie werden, mit Verlaub, 70 Jahre alt. Fahren Sie etwa selbst auf diesen Höllenmaschinen?

Natürlich, das ist doch ein Riesenspaß! Ich hoffe, dass ich jetzt im Ruhestand noch mehr Zeit dazu finde.

Das Gespräch führte Christian Geinitz.



Quelle: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Nr. 78 vom 03.04.2008
Glück ab, gut Land!

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