LUFTFAHRT Es fliegt zu viel rum
Trotz Rekorden bei den Fluggästen: Viele
Airlines tappen gerade in eine neue Wachstumsfalle
Airbus-Chefverkäufer John Leahy hatte eine dunkle Vorahnung: "Wir stehen auf dem Berg und blicken ins Tal", kommentierte er seine Rekordbestellungen von 1341 Maschinen im vorigen Jahr. Zwar hatte ihn Konkurrent Boeing mit einem Order-Rekord von 1413 Flugzeugen ausgestochen, doch von nun an gehts bei beiden Herstellern bergab.
Das könnte auch für die Fluglinien eine harte Landung bedeuten. Dabei hatten sich Air France/KLM und Lufthansa gerade erst in neue Gewinnhöhen aufgeschwungen: " Die Wahrheit ist, dass wir in fünf Jahren weltweit zu viele Verkehrsflugzeuge haben werden", sagt Mark Haneke von der angesehenen Airline-Beratung Intervistas aus Vancouver. Der ehemalige Manager bei American Airlines, Lufthansa und Swiss hat die Daten der Branche ausgewertet und kommt zum Ergebnis, dass Airbus und Boeing wegen ihrer langen Produktionszyklen erst im Jahr 2010 so viele Flugzeuge wie nie zuvor ausliefern werden: 1330 Stück. Das lässt den Fliegerbestand weltweit auf fast 22000 steigen, nach 18000 heute. Haneke rechnet vor, dass dann etwa 500 Flugzeuge zu viel um den Globus herumschwirren werden, um die prognostizierten 2,8 Milliarden Fluggäste jährlich zu transportieren.
Boeing erwartet zudem, dass in den nächsten fünf Jahren nur 500 dieser Maschinen weltweit nach 25 Jahren Lebensdauer ausgemustert werden. Gleichzeitig liefert der Konzern aus Seattle aber 2700 neue Flugzeuge aus.
"Die Überkapazitäten drücken dann die Ticketpreise und die Gewinnspannen der Airlines - vor allem auf Langstrecken", resümiert Haneke. Dabei unterstellt seine brisante Studie für die nächsten Jahre ein kontinuierliches Wachstum. Ereignisse wie die Anschläge von 2001, nach denen Airlines Hunderte Maschinen im Flugzeugfriedhof in der Mojave-Wüste stilllegen mussten, sind nicht einkalkuliert. Auch der Weltluftfahrtverband IATA sorgt sich, dass die Fluggesellschaften in die Wachstumsfalle tappen: Um zu überleben, bräuchten sie viele neue Maschinen - denn diese versprechen bis zu 30 Prozent niedrigere Kosten.
Quelle: "Focus" Nr. 10 vom 03.03.2008