Auf den Spuren der "Landshut"
Das Flugzeug ist neu lackiert, vorn rot, hinten blau, und auf dem Rumpf steht in meterhohen Buchstaben TAF, daneben in kleiner Schrift: Linhas Aéreas. Die brasilianische Fluggesellschaft, die ursprünglich Taxi Aéreo Fortaleza hieß, setzt ihre Boeing 737-230C für Frachtflüge ein. Wer weiß schon, welche Vorgeschichte der mittlerweile 38 Jahre alte Jet hat? Es ist die ehemalige "Landshut" der Deutschen Lufthansa. In ihr spielte sich im Oktober 1977 das Geiseldrama ab, das die Welt fünf Tage lang in Atem hielt.
Dreißig Jahre sind vergangen, seit die "Landshut" auf dem Flug von Palma de Mallorca nach Frankfurt entführt wurde. Das palästinensische Kommando, das deutsche Terroristen freipressen wollte, ging mit einer bis dahin nicht gekannten Rücksichtslosigkeit vor. Sein Anführer Mahmud erschoss den Kapitän Jürgen Schumann vor den Augen der Passagiere. In Mogadischu, nach langem Irrflug, wurde das Flugzeug von der Antiterroreinheit GSG 9 gestürmt; drei der vier Entführer starben. Auf die 86 befreiten Geiseln wartete in Frankfurt ein großer Empfang. Die im Kampf beschädigte Boeing kehrte fast unbemerkt in die Lufthansa-Werft zurück.
Über das weitere Schicksal der "Landshut", die damals in die Zeitgeschichte einging, berichtet jetzt das Mitarbeitermagazin der Deutschen Flugsicherung, "transmission". Die im Januar 1970 ausgelieferte Boeing 737 (Seriennummer 20254- 230) fliegt immer noch. Flugzeuge haben bei ordentlicher Wartung ein langes Leben. Bemerkenswert und typisch für eine in die Jahre gekommene Verkehrsmaschine ist der vielfache Besitzer- und Nationalitätswechsel. Große, renommierte Fluggesellschaften können sich eine veraltete, laute Boeing 737 der Serie 200 gar nicht mehr leisten.
Das Flugzeug wurde nach der Geiselbefreiung in der Hamburger Werft repariert und überholt und blieb bis 1985 im Besitz der Lufthansa. Den Namen "Landshut" trug es in den letzten Jahren allerdings nicht mehr. Die Lufthansa verkaufte den Jet an eine amerikanische Leasinggesellschaft, die ihn bald an ein ähnliches Unternehmen weiterverkaufte. Die Maschine startete in den Farben des Billigfliegers Presidential Airways und trug den Namen des zweiten amerikanischen Präsidenten "John Adams". Danach flog sie für Transportes Aéreos Nacionales in Honduras, später als reine Frachtmaschine für die französischen Intercargo Services. 1990 wechselte sie wieder den Besitzer; der vermietete sie an die Aéropostale. Dann das vorläufige Ende: Die ehemalige "Landshut" wurde ausgemustert und fast zwei Jahre lang auf dem irischen Flughafen Shannon abgestellt.
Der Autor des Magazins "transmission", Christopher Belz, nahm die Spur der "Landshut" 1993 wieder auf. Kurz hintereinander waren abermals zwei amerikanische Gesellschaften als Besitzer eingetragen. Im Leasinggeschäft ging das Flugzeug an die malaysische Transmile Air und zeitweise an die indonesische Garuda. Es folgten ein paar Jahre Stilllegung, diesmal in Kuala Lumpur.
Seit 2002 prangen auf dem Jet die großen Lettern der TAF Linhas Aéreas und das Kennzeichen PT-MTB. Die innerbrasilianische Fluggesellschaft hat 2006 ihre nicht gerade brandneue Flotte mit neuen Farben aufgefrischt. So ist der vielgereisten alten "Landshut" ein langes, bewegtes Flugzeugleben beschieden - dabei wäre sie damals beinahe in die Luft gesprengt worden.
DIETER VOGT
Quelle: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Nr. 299 vom 24.12.2007