Der General der Luftfahrt
Wirtschaft im Gespräch
mbe. Das Logo des Internationalen Luftverkehrs-Verbandes (IATA) atmet noch den Geist der Nachkriegszeit: eine stilisierte Weltkugel mit Flügeln, darunter der Schriftzug - man ist unvermittelt an eine internationale Organisation im Stile der Uno erinnert. Der 1945 gegründete Verband der internationalen Airlines ist zwar eine explizit unpolitische Organisation, aber dennoch wurde er lange Zeit nach diplomatischen Prinzipien geführt. Mit dem Antritt von Giovanni Bisignani als Generaldirektor im Jahre 2002 hat sich dies allerdings schlagartig geändert. Die Airline-Industrie befand sich damals in einer schweren Krise. Der Einbruch des Luftverkehrs nach den Anschlägen vom 11. September 2001 brachte den Fluggesellschaften Milliardenverluste. Bisignani nahm dies zum Anlass, "eine Bombe in die Kirche zu werfen", wie er sich ausdrückt. Er krempelte den Verband radikal um; innerhalb des ersten Jahres wurden 80% des Managements und wurde ein Grossteil der Belegschaft ausgewechselt. Heute macht die IATA eher den Eindruck eines straff geführten privaten Unternehmens als eines verpolitisierten Interessenverbandes.
Bisignani hat sich in den vergangenen fünf Jahren in der Tat zu einer Art internationalem Luftfahrt-General aufgeschwungen. Er hat die Zügel bei der IATA fest in der Hand, und auch sein Auftreten weckt entsprechende Assoziationen: Der 60-jährige Italiener pflegt eine klare und präzise Sprache, er nennt die Ziele des Verbandes beim Namen, er prangert Missstände in der Branche unverblümt an, und nicht zuletzt erinnert auch seine Statur unwillkürlich an den wohl berühmtesten aller Generäle, Napoleon. Seit seinem Amtsantritt hat Bisignani zahlreiche Initiativen lanciert, die der Airline-Industrie Einsparungen in Milliardenhöhe gebracht haben. Dazu gehört etwa das Ziel, den gesamten internationalen Luftverkehr bis Ende 2007 auf elektronische Tickets umzustellen. Aber auch die Dienstleistungen der IATA für die Airlines, etwa das Abwickeln von Zahlungsströmen im Umfang von 280 Mrd. $ pro Jahr, werden nun weit günstiger angeboten.
Kann man aber einen Verband wie eine private Firma führen? Bisignani weist darauf hin, dass dies in einigen Bereichen tatsächlich möglich sei. Bei den operativen Dienstleistungen für die Airline-Branche etwa könne man durchaus kostenorientiert arbeiten. Konsequent formuliert Bisignani entsprechende Zielvorgaben, die vom Board of Governors der IATA abgesegnet werden und dem Verband dann als Wegmarken dienen. Für die Kadermitglieder sind 15% bis 20% des Lohnes an die Erreichung der quantitativen Vorgaben geknüpft. Solche Leistungslöhne sind für einen Verband ungewöhnlich, sie scheinen aber bei der IATA durchaus zu funktionieren.
Bisignani räumt jedoch auch Grenzen ein. So könne die IATA ihre Tätigkeiten nicht wie eine private Firma diversifizieren, sondern müsse immer der Branche verpflichtet bleiben. Zudem könne es sich der Verband nicht leisten, allzu viele Mitglieder zu verlieren. Die IATA verteilt deshalb bisweilen zugunsten kleinerer und weniger finanzstarker Airlines um. Gegenwärtig werden vor allem afrikanische Fluggesellschaften dabei unterstützt, die neuen, strengen IOSA-Sicherheitsrichtlinien zu erfüllen. Aber auch hier will Bisignani offenbar nicht allzu stark dem Motto vieler Verbände nachleben, dass mehr Mitglieder mehr Macht bedeuteten. Wer die Sicherheitsbestimmungen bis Ende 2007 nicht erfüllen kann, wird aus dem Verband ausgeschlossen.
Die Natur des Geschäfts bedingt es, dass die IATA heute der vielleicht einzige wirklich globale Interessenverband von Unternehmen ist. Dies bedeutet zum einen, dass Bisignani viel reist: Er verbringt nur etwa eine Woche im Monat am IATA-Sitz in Genf, weitere vier Tage weilt er am Hauptsitz in Montreal, und die restlichen zweieinhalb Wochen ist er unterwegs, um die regionalen Niederlassungen und Airlines auf der ganzen Welt zu besuchen. Da bleibt ihm nach eigener Aussage nicht viel Zeit, um seine Hobbys Golf und Segeln zu pflegen. Zum anderen bedeutet die globale Ausrichtung, dass die IATA ein interessanter Modellfall für eine zunehmend globalisierte Wirtschaft ist. Verletzt Bisignani mit seiner sehr direkten Art und seiner oft harten Linie nicht kulturelle Sensibilitäten? Nein, meint er, wenn man mit grosser Transparenz vorgehe und immer in der Sache argumentiere, dann werde dies auf der ganzen Welt verstanden.
Quelle: "Neue Zürcher Zeitung" Nr. 11 vom 15.01.2007