LCC gegen Qualit

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LCC gegen Qualit

Post by LOWA » 1. Sep 2006, 09:50

Billigflieger umwerben Business-Passagiere Low Cost kontra Linie: Vom harten Kampf um die Vollzahler profitiert vor allem die Kundschaft

ANKE PEDERSEN | DÜSSELDORF Als Garanten für Reise-Flexibilität galten Deutschlands Low Cost Carrier in der Vergangenheit nicht gerade. Die Konsequenz: Aller Preisvorteile zum Trotz buchten Geschäftsreisende weiterhin bei renommierten Liniencarriern. Eine Service-Offensive der Billigairlines in punkto Flugzeiten, Abflughäfen, Frequenzen und Abrechnung soll das nun ändern. Gewinner ist der Business Traveller: Denn im Kampf um ihre Stammklientel ziehen Lufthansa und Co. kräftig nach.

Kaum hatte Low-Cost-Carrier Air Berlin die Aufnahme der viel gebuchten Route Frankfurt - Zürich in ihren Sommerflugplan bekannt gegeben - werktags vier Mal täglich ab 29 Euro Oneway -, war plötzlich auch der LH-Flug ins Schweizerische Geschäftszentrum ab 99 Euro zu buchen. Air Berlin-Chef Achim Hunold focht das damals noch nicht an: "Bei neun Prozent Streckenüberschneidung mit der LH sehen wir die 99 Euro sehr gelassen."

Wenn der Börsenneuling Hunold jetzt die Fluggesellschaft DBA erwirbt, wird der Kampf mit dem Kranich ungleich härter. Denn innerdeutsch fliegen beide oft nur im Minutenabstand um die Wette. Das Geschäft mit der Business-Kundschaft auszubauen, ist Hunolds Ziel. Denn ohnehin sitzen bei Air Berlin längst nicht mehr nur Urlauber in den preiswerten Fliegern nach Barcelona, London oder Wien. Auch immer mehr Geschäftsreisende und Firmenkunden buchen ganz selbstverständlich dort. Der Anteil der Business Traveller bei Air Berlin beträgt inzwischen 40 Prozent, "Tendenz steigend", sagt der Chef. Nicht nur bei ihm, sondern auch die Billigflieger Germanwings oder Hapag-Lloyd-Express haben immer mehr Köfferchen-Träger auf ihren Sitzen.

Mit dem Schnäppchen allein ist der besser zahlende Geschäftsreisende nicht zu gewinnen. Seine Bereitschaft zum teureren Ticket ist gekoppelt mit der Forderung nach Flexibilität: "Für den Geschäftsreisenden kann nicht der Preis entscheiden, wenn er dafür nach Hahn fahren muss", beschreibt Ingo Biehl, Geschäftsführer des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR).

In eben diesem Punkt aber konnten die Discounter mit nächtlichen oder sonst wie kruden Abflugzeiten, abgelegenen Flughäfen und Ein-Tages-Frequenzen renommierten Liniengesellschaften wie der Lufthansa lange nicht das Wasser reichen. Mangelnde Umbuchungsmöglichkeiten und vergleichsweise teure Abrechnungswege ohne Option auf die für Reisekostenkalkulationen notwendigen Reports von seiten der Discounter gaben dem Modell den Rest.

Anfangs. Inzwischen machen die Billigflieger in punkto Flexibilität so viel Druck, dass sogar der Lufthansa ihre Stammklientel langsam untreu wird: Germanwings, DBA & Co. bedienen deutschland- und europaweit attraktive Punkt-zu-Punkt-Verbindungen in den wichtigen Geschäftszentren und deren Flughäfen, und zwar ohne über irgendwelche Drehkreuze gehen zu müssen. Das bedeutet Schnelligkeit und eliminiert die Gefahr verpasster Anschlüsse etwa in Frankfurt oder München. Darüber hinaus erhöhen sie auf den für Geschäftsreisende wichtigen Rennstrecken kontinuierlich ihre Frequenzen, fliegen zu den von Business Travellern geforderten Tagesrandzeiten - morgens hin, abends zurück - und akzeptieren Umbuchungen.

Selbst eine für viele Firmen wichtigste Voraussetzung haben die meisten Low Cost Carrier laut VDR-Präsident Michael Kirnberger inzwischen erfüllt: Sie akzeptieren die Bezahlung mit Kreditkarten, was den Unternehmen über die Reports von Kreditkartenanbietern wie Airplus den notwendigen Einblick in die Reisekosten verschafft. VDR-Mann Biehl sieht die Zukunft der Billigairlines daher rosig: "Überall da, wo ein Low Cost Carrier in der Kombination von Preis und Zeiten günstiger liegt, wird er seinen Anteil an Geschäftsreisenden erhöhen." Einer VDR-Studie zufolge erklärten immerhin 15 Prozent aller befragten Betriebe in Deutschland, künftig verstärkt Billigairlines nutzen wollen.

Das geht vor allem zu Lasten der Lufthansa. Nach außen gibt diese sich zwar gelassen: "Wir sind sehr sicher, dass wir für den Geschäftsreisenden die Lösung Nummer 1 sind", sagte ein Sprecher. Doch der Ex-Monopolist reagiert sehr wohl auf Konkurrenz. Meistens über drastische Preissenkungen von "60, 70 oder sogar 80 Prozent", so Andrea Zimmermann, Gründerin der Unternehmensberatung btm4u. Sobald die Lufthansa Konkurrenz bekommt, passt sie ihre Preise an. Zimmermann: "Die Lufthansa reagiert meistens noch am selben Tag."

Seit diesem Frühjahr wartet die Lufthansa nicht mehr erst auf Konkurrenz: Mit dem von Konzernchef Wolfgang Mayrhuber verkündeten "erweiterten Tarifkonzept" gibt's bei der LH sämtliche Non-Stop-Flüge aus deutschen Abflughäfen zu Zielen in der EU, der Schweiz, nach Norwegen und der Türkei ab 99 Euro (Umbuchungen gegen Gebühr, Storno ausgeschlossen). In Summe sind das 181 Strecken zu 76 Zielen in 25 Ländern sowie 51 innerdeutsche Direktverbindungen zwischen 20 Städten.

Das neue Konzept ist eine klare Kampfansage gegen jede Billigairline, insbesondere aber gegen jene, die mit Netto-Preisen werben. Das Besondere an "betterFly" sei so Mayrhuber nicht ohne Hintersinn, dass der Fluggast für diesen "Schnäppchenpreis" das "komplette Lufthansa-Qualitätsprodukt" bekomme: Steuern, Gebühren, Services und Meilengutschriften inklusive. "Es ist nicht unsere Aufgabe, Konkurrenten das Leben zu erleichtern", zitiert die Wirtschaftswoche Lufthansa-Vertriebschef Thierry Antinori.

VDR-Präsident Kirnberger schlägt in die gleiche Kerbe. "Warum soll ich auf Billigairlines gehen, wenn bei den Etablierten die Preisspirale auch heruntergegangen ist?" Beraterin Zimmermann dagegen: "Wenn die Travelmanager die Low Cost Carrier nicht unterstützen, werden sie den Markt auf den entsprechenden Strecken wieder räumen", warnt die Expertin. Und dann hätte LH habe " wieder freie Bahn für hohe Preise".

Damit rechnet aber kaum ein Experte. So befanden kürzlich über 300 Profis bei der 9. Hamburg Aviation Conference, dass sich "das Marktgefüge auf Kurzstreckenflügen weiter zu Gunsten der Low Cost Carrier und zu Lasten der etablierten Full Service Carrier entwickeln wird."


Quelle: Handelsblatt Nr. 169 vom 01.09.06 Seite b02
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Post by LOWA » 3. Jan 2007, 09:00

Billigflieger sind sexy, wenige aber profitabel"

Standard: 2006 wurden weltweit zwei Milliarden Fluggäste befördert. Wie war das Jahr für die Luftfahrt?

Bisignani: Es war ein gutes Jahr. Sicher, die Branche hat 500 Millionen US-Dollar Verlust gemacht, aber in Anbetracht dessen, dass wir uns von 41 Milliarden US-Dollar Verlust erholen, ist das sehr gut. Noch dazu mit einer Bürde von zusätzlichen 22 Milliarden US-Dollar Treibstoffkosten, die heuer insgesamt 120 Milliarden Dollar ausmachen. Nach sechs Jahren roter Zahlen bewegen wir uns in die richtige Richtung. Die Erholung ist aber fragil, 2007 wird schwierig.

Standard: Wie viele Fluglinien sind wirklich finanziell gut aufgestellt?

Bisignani: Es hängt davon ab, wie sie es betrachten. Tatsache ist, wir haben nicht viele, die ein zweistelliges Ebit (Gewinn vor Zinsen und Steuern, Anm.) erreichen, und nur wenige können ihre Kapitalkosten zurückzahlen. Viele haben nur fünf Prozent Ebit und das ist nicht genug. Andere Firmen wie Microsoft haben 38 Prozent Marge, manche Flughäfen erreichen bis zu 60 Prozent, die besten Airlines aber nur zehn Prozent Marge. Für 2007 ist erstmals seit 2000 wieder ein Profit vorgesehen, insgesamt 2,5 Milliarden USDollar. Aber das sind Peanuts, denn bei Einkünften der Airlines von 450 Milliarden Dollar ist das lediglich eine Marge von 0,5 Prozent.

Standard: Sind Billigfluglinien das Nonplusultra?

Bisignani: Ich weiß, Low-Cost-Airlines haben Sex-Appeal. Aber nur fünf von den 35 Low-Cost-Airlines in Europa machen Gewinne. Der Abstand zwischen den klassischen Fluglinien zu den Billigfluglinien wird kostenseitig immer kleiner.

Standard: Wie sollen Airlines mit niedrigen Ticketpreisen die Rendite erhöhen, wo kann denn noch gespart werden?

Bisignani: Wir sind dabei, effizienter zu werden und haben Großartiges vollbracht. Flugzeuge sind heute 70 Prozent treibstoffeffizienter als vor 40 Jahren. Moderne Flugzeuge benötigen pro Passagier 3,5 Liter auf hundert Kilometer. Die Einführung von elektronischen Tickets spart viel Geld. Doch dann verkündete kürzlich der britische Flughafenbetreiber BAA eine Erhöhung der Gebühren um bis zu 50 Prozent. Das bedeutet, dass unsere Fluglinien binnen zwei Tagen mehr zu zahlen haben als wir in zwei Jahren verdienen. Diesen Wahnsinn müssen wir stoppen.

Standard: Sie sagen, es gibt nach wie vor zu viele Fluglinien. Sind Fusionen notwendig?

Bisignani: Absolut. 1500 Fluglinien sind viel zu viel. Aufgrund 60 Jahre alter Regelungen ist eine Konsolidierung fast nicht möglich, Fusionen werden erschwert. Man muss den Airlines mehr Möglichkeiten geben. Eine Fluglinie etwa, welche durch eine Fusion ihre nationale Identität verliert, verliert auch die Streckenrechte. Dieses alte System ist nicht mehr realistisch für eine globale Industrie wie es Airlines sind. Und ich sehe leider keine Veränderungen.

Standard: Welche Fluglinien sind Sorgenkinder der Iata?

Bisignani: Wir haben zwei Probleme in Europa: Alitalia und Olympic Airlines. Ich sehe übrigens keinen einzigen Interessenten, der Alitalia kaufen möchte.

Standard: Kann eine Fluglinie wie Austrian Airlines mit 1,7 Milliarden Euro Schulden wieder aus dem Dilemma herauskommen?

Bisignani: Wir haben und hatten viele Fluglinien in finanziellen Schwierigkeiten, vor allem in den USA. Dort wurden 45 Milliarden US-Dollar Verluste gemacht, nun gibt es wieder operative Margen. 2001 bis 2005 wurde in den USA ein Viertel der Kapazität reduziert, 40 Prozent der Belegschaft arbeitet heute um ein Drittel produktiver, Streckennetze wurden verändert usw. Das sind schmerzliche Erfahrungen für viele Fluglinien.

ZUR PERSON: Giovanni Bisignani (60) ist seit Juni 2002 Generaldirektor und CEO der Iata. Bisignani hatte für fünf Jahre die Position als CEO und Managing Director der Alitalia inne, wo er schon dem Executive Committee des Weltluftfahrtverbandes angehörte und auch Chairman der Vereinigung der europäischen Fluglinien war.


Quelle: "Der Standard" vom 03.01.2007
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