Catering der besonderen Art

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LOWA
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Catering der besonderen Art

Post by LOWA » 28. Jul 2006, 10:46

Fliegende Pfannen Fluggesellschaften rüsten ihre Maschinen zu À-la-carte-Restaurants um - zumindest in den vorderen Reihen

Fliegen könnte so schön sein - wenn nur das Essen nicht wäre. Farblose, geschmacks-arme Einheitskost, die pünktlich zu dem Zeitpunkt an den Platz kommt, wenn der Fluggast gerade die Augen geschlossen hat.

Ist es da wirklich eine Entbehrung, dass die meisten Fluggesellschaften das Bordmenü nach dem 11. September 2001 rigoros zusammengestrichen haben?

Doch die mageren Jahre scheinen überstanden - zumindest für Vielflieger. Als wollten sie verhindern, auch in der Gunst des Business- und First Class-Passagiers abzustürzen, laden immer mehr Fluggesellschaften zum Schlemmen wie in einem feinen Restaurant.

Cathay Pacific etwa folgt dem Motto "Frisch auf Bestellung": Die in Hongkong beheimatete Fluggesellschaft hat ihre Maschinen 2005 als erste überhaupt mit Reiskochern, Toastern und Bratpfannen ausgestattet. Zumindest in der First Class lautet die Bestellung seitdem immer mal wieder: "Ich hätt jetzt Lust auf frische Spiegeleier."

Qatar Airways geht sogar noch einen Schritt weiter: Business- und First-Class-Passagiere erhalten nicht nur mehrgängige Schlemmermenüs mit Champagner und Schalentieren, Vorspeisen, Käseauswahl und korrespondierenden Top-Weinen, deutschem Porzellan und Stoff-Servietten. Seit Mai serviert Qatar seine gesamte Gourmet-Küche à la carte: Aus einer ledergebundenen Speisekarte bestellt der Passagier künftig nicht mehr nur, was er begehrt, sondern auch, zu welcher Uhrzeit er es begehrt.

Damit gehört nicht nur der herkömmliche Trolley-Service der Vergangenheit an, sondern auch der Schlafmasken-Aufkleber: "Do not disturb for menu." Den Restaurantservice gibt es zunächst zwar nur auf der Strecke Doha-Hongkong, bis Frühjahr 2007 soll er aber auf sämtlichen Qatar-Langstrecken eingeführt werden.

Auch wer seine Eier statt von einer Stewardess lieber von einem leibhaftigen Koch bereitet bekommt - und zwar frisch und an Bord -, muss nicht länger den Privatjet chartern: Köche kommen an Bord.

Vorgemacht hatte dies schon vor Jahren die von Niki dem Rennfahrer gegründete Lauda Air. Nun ist Niki nicht mehr dabei und Lauda Air inzwischen vollends aufgegangen in der Austrian Airlines Group. Verloren sind die "fliegenden Köche" der Österreicher damit freilich nicht: Im Sommer 2005 hat die AUA die Idee wieder aufgegriffen, um einen Bordsommelier ergänzt und auf all ihren Langstrecken eingeführt.

Doch inzwischen war Gulf Air ihrer Konkurrenz um einen ganzen Schritt voraus: Denn die Gesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate serviert ihren Erste-Klasse-Scheichs ihr Wunschmenü nicht nur zur gewünschten Uhrzeit. Ganz wie in einem À-la-carte-Restaurant bereiten leibhaftige Küchenchefs ihre Schlemmereien vor den Augen und ganz nach Gusto der Gäste.

Die fliegende Küchenbrigade besteht dabei nicht etwa aus speziell geschulten Flugbegleitern. Die Firma rekrutiert ihre Köche aus Fünf-Sterne-Hotels und -Restaurants.

Das ist bislang nicht nur einzigartig, es kommt auch an: Im März erhielt die Gulf Air für ihren "On-Board-Service" den Oscar der Reisecatering-Branche, den "Mercury Award 2005". Den luxuriösen Service gibt es unter anderem bei Flügen ab oder nach Frankfurt.

Vorreiter in puncto Gourmetservice war jedoch Singapore Airlines (SIA). Die Fluggesellschaft hat schon vor Jahren ein Team von Chefköchen und Sommeliers aus allen Teilen der Welt verpflichtet und zur "World Gourmet Cuisine" erhoben.

Pro Flug erwartet die Passagiere je eine Empfehlung aus diesen von Chefköchen gestalteten Menüs, von der Pasta bis hin zur Spezialität aus dem Wok. Wer nicht nur eine Empfehlung, sondern das gesamte Menü von einem der Gourmetköche genießen will, hat die Möglichkeit zum "Book The Cook": Bis zu 24 Stunden vor Abflug können Raffles- und First-Class-Passagiere ihr Wunschdinner vorab bestellen - im Internet sind alle Köche und ihre Menüfolgen gelistet.

Den meisten Economy-Gästen würde ein Qualitätssprung freilich schon reichen. Die Passagiere wissen allerdings gar nicht, dass sie für besseren Service auf den billigeren Plätzen lediglich eines der vielen Sondermenüs vorbestellen müssten, das jede Airline kostenlos anbietet: Singapore Airlines kocht mehr als 30 Sondermahlzeiten, und wer 24 Stunden vor Abflug die Lufthansa anwählt (Tel. 0180/ 380 38 03), hat freie Wahl unter über 20 Extra-Essen.

Dabei ist es noch nicht einmal erforderlich, einer der Gruppen anzugehören, für die diese Mahlzeiten aufgelegt werden: Weder muss man einen Diabetikerpass vorzeigen noch zum Islam übertreten oder Vegetarier werden.

Der kulinarische Kampf um den Kunden tobt längst nicht nur unter den Linienfliegern: Sogar der Börsenneuling Achim Hunold, Chef der Low-Costler von Air Berlin, positioniert seine Fluggesellschaft als "Gourmet-Flieger". Also gibt's zum kostenfreien Air-Berlin-Standard-Essen künftig auch eine Auswahl verschiedener Gourmetmenüs aus der Küche des Wiener Edelcaterers Do & Co - nach Vorbestellung und gegen Zahlung von sieben bis 14 Euro.

Je nach Tageszeit und Saison stehen Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Feldsalat auf der Karte, Steaks mit Salat oder ein Tapas-Menü. Zum Wachwerden serviert die Hunold-Crew Rührei mit Speck, Champignons und Röstkartoffeln, frische Früchte, hausgemachten Joghurt, Schinken, Käse, Konfitüre, Croissants und Brötchen (zehn Euro) - immer auf Porzellan, versteht sich, und bald auch im gesamten Streckennetz. Und das ist fast eine Alternative zum Hotelfrühstück.

Anke Pedersen


Quelle: Handelsblatt Nr. 144 vom 28.07.06
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