Boeing zahlt Milliarde für Verspätungen und Spionage
Von Gerhard Hegmann, München
Der Gewinn des US-Konzerns Boeing wird wegen Industriespionage und Verspätungen bei Rüstungsprojekten in diesem Jahr um bis zu 1,15 Mrd. $ belastet. Der US-Konzern gab gestern offiziell bekannt, dass er mit dem US-Justizministerium einen 615 Mio. $ teuren Vergleich zur Einstellung von Ermittlungsverfahren erreicht hat. Zudem entsteht eine Sonderbelastung zwischen 300 und 500 Mio. $, weil sich wegen technischer Probleme die Auslieferung von Radar-Aufklärungsflugzeugen an Australien und die Türkei verspätet.
Die Strafzahlung ist die Folge zweier Skandale in der Boeing-Geschichte. In deren Mittelpunkt steht ein Milliardenauftrag des Pentagons für Tankerflugzeuge sowie Industriespionage für Trägerraketen bei Lockheed. Analysten gehen davon aus, dass der Luftfahrtkonzern am 26. Juli bei der Vorlage der Halbjahreszahlen durch die Sonderbelastung womöglich keinen Quartalsgewinn mehr ausweisen kann. Der Boeing-Kurs gab gestern um ein Prozent auf 81,80 $ nach.
Bei dem nach wie vor nicht erteilten Tankerauftrag konnte Boeing zunächst die Pentagon-Einkäuferin Darleen Druyun für sich gewinnen. Sie versorgte Boeing mit Details für den Milliardenauftrag. Dabei soll sie auch die Angebote des Konkurrenten EADS an Boeing weitergereicht haben. Nach der Aufdeckung des Skandals wurden Druyun sowie Ex-Boeing-Finanzchef Mike Sears zu Haftstrafen verurteilt, der einstige Boeing-Chef Phil Condit verlor seinen Job.
Der europäische EADS-Konzern sucht dagegen in seiner gegenwärtigen Krise mit Hilfe der Strafverfolgungsbehörden nach einem Leck in der Topetage. Der Konzern gab gestern bekannt, die Doppelspitze Thomas Enders und Noël Forgeard habe Strafanzeige gegen unbekannt erstattet und Schadensersatz beantragt. Dabei geht es um die Veröffentlichung eines Protokolls aus einem Führungstreffen durch die französische Zeitung "Le Monde".
Quelle: FTD Financial Times Deutschland vom 30.06.2006