Erster senkrecht startender Überschall-Passagierjet
Hybrid-Triebwerk aus konventionellem Stromtriebwerk und elektrisch betriebenen Gebläsen - Erstflug für 2010 geplant
Von Anatol Johansen
Falmouth - "Die Maschine wird in einem Park in New York sechs Personen an Bord nehmen und sie einige Stunden später in einem Fußballstadion in London absetzen können." So optimistisch äußert sich Richard Lugg über ein Flugzeugprojekt, das er mit seiner neuen, kleinen Firma SonicBlue Aerospace in Falmouth (Maine) verwirklichen will. Er entwickelt eine Maschine, wie es sie bis jetzt in der Luftfahrt nicht gegeben hat: einen kleinen Jet, der senkrecht starten und landen kann - also nicht auf Flughäfen angewiesen ist - und der dennoch im Streckenflug mit Mach 1,6 mehr als anderthalbfache Schallgeschwindigkeit erreicht. Dafür benötigt die Maschine allerdings eine völlig neue Antriebstechnik. Sie imitiert in etwa jenen Hybridantrieb aus Elektro- und Benzinmotor, wie er auch im Automobilbau von sich reden macht.
Vorgesehen ist, daß die neue Maschine im Streckenflug zwar ganz konventionell von zwei Düsenmotoren angetrieben wird. Doch bei Start und Landung wird die Leistung dieser Triebwerke nur für die Gewinnung elektrischer Energie in einem Generator eingesetzt. Mit dem so gewonnenen Strom - die Firma spricht von einer zu erzielenden Leistung von mindestens 2,5 Megawatt - werden dann große Gebläse an der Unterseite der Maschine betrieben, die den Jet senkrecht abheben und landen lassen.
Da mehrere dieser Spezialgebläse an der Flugzeugunterseite verteilt sind und sie einzeln per Computer angesteuert und reguliert werden können, kann die Maschine während Start und Landung gut ausbalanciert werden. Die Gebläse werden einen Durchmesser von jeweils etwa 1,30 Metern haben und sollen - wie fast das ganze Flugzeug - aus Verbundwerkstoff gefertigt werden. Die Triebwerke werden von Rolls-Royce kommen. Eine erste Version des Motors will man 2007 testen.
Die Flügel des neuen, revolutionären Jets werden - anders als üblich - nicht nach hinten, sondern nach vorn geschwenkt sein. Zusammen mit zwei kleinen sogenannten Entenflügeln vorn am Rumpf wird durch diese Anordnung der Übergang vom vertikalen zum horizontalen Flug erleichtert. Die Konzeptphase des neuen Flugzeugs ist inzwischen so gut wie abgeschlossen, den Erstflug plant man für 2010, die Zulassung für 2012. Richard Lugg rechnet sich gute Chancen aus. "Wir vereinen das Beste zweier Welten", meint er, "die Flexibilität des Hubschraubers und die Geschwindigkeit eines Überschall-Jets." Das setzt allerdings voraus, daß während der Entwicklung jetzt nicht noch allzu große technische oder finanzielle Probleme auftauchen. Bislang wird das Projekt nur von Privatinvestoren finanziert. Doch rechnet man jetzt auch mit einer Unterstützung durch das Militär.
Denn SonicBlue will mit der neuen Technologie nicht nur den kleinen Busineß-Jet für sechs Passagiere bauen, sondern auch ein zweisitziges Überschallkampfflugzeug. Außerdem hat die kleine Firma bereits eine unbemannte Kampfdrohne in Arbeit.
Über Kosten spricht man bei SonicBlue noch nicht. Der Preis seiner neuen Überschall-Senkrechtstarter werde jedoch auf jeden Fall "sehr wettbewerbsfähig" sein, so Lugg.
Weitere Informationen im Web:
http://www.sonicblueaerospace.com/
Quelle: DIE WELT vom 3.5.2006