Langstrecken-Anbieter feilen am Komfort
VON Axel Pinck
Eine neue Generation von Langstreckenflugzeugen wird bis zu 20 Stunden in der Luft sein. Das stellt nicht nur neue Anforderungen an Aerodynamik und Turbinen, sondern auch an Interieur und Design des Passagierraumes.
Welchen Komfort müssen Airlines für diese Flüge bieten? Was erwarten die Fluggäste an Bequemlichkeit und Ästhetik? Für Heinrich Großbongardt, Pressesprecher der Cabin System Holding (CSH), eines Hamburger Systemhauses für Inneneinrichtungen von Flugzeugen, ist der Trend eindeutig: "Die Ausstattung der Flugzeuge wird künftig über die Wahl der Airline entscheiden."
Heute sind an der Konstruktion eines Flugzeuginnenraums rund 170 spezialisierte Zulieferfirmen beteiligt, von der Sitzverkabelung bis zu den Notfallleuchtstreifen auf dem Kabinenboden.
Weil Technik und Werkstoffe sich immer schneller weiterentwickeln, verkürzt sich der heute rund achtjährige Lebenszyklus einer Flugzeugkabine in Zukunft um etwa ein Viertel. Die Branche für Flugzeuginterieur boomt und rechnet damit, dass die Investitionen um etwa sechs Prozent steigen. Derzeit werden jährlich 20 Mrd. $ für die Inneneinrichtung ausgegeben.
Der Airbus A380 wird mit einer Menge innovativem Interieur ausgestattet. Die australische Fluggesellschaft Qantas setzt in der Economy-Klasse einen neuen Sitz von Recaro ein, dessen Schale weniger Platz einnimmt und damit etwas mehr Beinfreiheit gewährt, den Rücken besser unterstützt und gleichzeitig weniger wiegt. BE Aerospace hat einen Sitz für die Langstrecke entwickelt, der über eine automatische Steuerung die Wirbelsäule auch bei Seitenlage entlastet. Der Spezialhersteller Aviointeriors offeriert eine Art Luxusklappsitz, der zusammengefaltet neben dem Gang Raum für gymnastische Übungen schafft.
Für Business Class und First Class liefern verschiedene Hersteller ergonomisch ausgeklügelte Sitze, die in der Ruhephase den Schlafkomfort eines Lounge-Bettes bieten. Die Passagiere können die Sitze auf ihre speziellen Bedürfnisse einstellen.
Die Lufthansa stellt ihren Businesskunden ein zwei Meter langes Bett mit einem minimalen Neigungswinkel von zehn Grad zur Verfügung. Ein ausklappbarer Tisch bietet mehr Platz zum Arbeiten. Für Mahlzeiten mit dem Sitznachbarn kann man aus den Tischen eine gemeinsame Tafel bauen.
Ansonsten überwiegt zumindest auf den teureren Sitzen das Bemühen, dem Kunden zum Arbeiten und Entspannen zumindest eine kleine Privatsphäre durch Sichtblenden zu schaffen. Neue, leichtere Materialien kommen den Bemühungen aller Airlines entgegen, Gewicht und damit Treibstoff zu sparen.
Vor allem in der Business Class und der First Class werden die Sitzkonsolen mit ausgeklügelter Technik ausgestattet. Dazu gehören eine Stromversorgung für den Betrieb von Laptops, DVD-Spielern und anderen elektronischen Geräten sowie eine große Auswahl an Audio- und Video-on-Demand.
Mit dem "Flynet", das Lufthansa Technik und Boeing Connexion gemeinsam entwickelt haben, können Fluggäste erstmals per Wireless LAN mit ihrem eigenen Laptop im Internet surfen. Abgerechnet wird über die Kreditkarte. Eine Flatrate für den Langstreckenflug kostet derzeit knapp 30 $. "Demnächst wird man im Flugzeug auch Live-TV-Programme empfangen", sagt Aage Dünnhaupt, Pressesprecher von Lufthansa Technik in Hamburg. Zwischen mehr als 100 Programmen sollen die Passagiere dann wählen. Ursprünglich wurden TV-Empfang und andere Annehmlichkeiten nur für private Edeljets entwickelt und serienreif gemacht.
Neue Induktionsherde und Getränkeautomaten, die in einer Minute sechs Cappuccinos aufschäumen, versprechen bei Langstreckenflügen kulinarischen Hochgenuss und einen stärkeren Koffeinkick.
Der Sanitärbereich in Flugzeugen verlangt künftig ebenso großen Luxus. Einen Whirlpool an Bord wird es wegen möglicher Luftturbulenzen so bald nicht geben. Immerhin hat Virgin Atlantic als erste Airline die Installation einer Duschkabine für ihre First-Class-Passagiere im A380 angekündigt.
Zitat:
" "Demnächst wird man im Flugzeug auch Live-TV-Programme empfangen" " - Aage Dünnhaupt, Lufthansa Technik -
Quelle: FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND, Druckausgabe vom 16. 11. 2005