Karriere im Steigflug
Von: Katrin Rupp
Portrait: Österreicherin steuert 400-Tonnen-Jets für luxemburgische Cargolux
Elefanten, Formel-1-Boliden, 120 Tonnen Rosen: Jumbojet-Pilotin Christa Plessner fliegt Fracht um den Globus. Herausforderungen sind ihr wichtiger als eine geradlinige Laufbahn.
Einst war sie Österreichs jüngste Pilotin: Im Alter von 21 Jahren flog Christa Plessner bereits schwere Jets. Heute ist die zierliche 40-Jährige eine von insgesamt drei österreichischen Frauen, die einen Jumbo - eine Boeing 747 - fliegen können. Plessner geht als Co-Pilotin für die luxemburgische Cargolux in die Luft: Die grösste Frachtfluggesellschaft Europas hat 13 Jumbos im Einsatz und fliegt 90 Destinationen weltweltweit an. Davor war Plessner für Lauda Air im Einsatz. "Ich wollte meinen Horizont erweitern und suchte neue Herausforderungen. Dass ich dann keine Passagiere mehr fliegen würde, sondern Transportgüter, war für mich kein Problem", erklärt die passionierte Hobbysportlerin, die täglich laufen, Rad fahren oder schwimmen muss, um sich wohl zu fühlen.
>> Kostbare Fracht <<
Seit vier Jahren pendelt Plessner zwischen Wien und Luxemburg. Mit ihrer Frachtmaschine fliegt sie um die ganze Welt und liefert kostbare Güter wie Helikopter, Formel-1-Autos, Elefanten oder 120.000 Kilogramm Rosen. Das Leben aus der Tasche war sie von klein auf gewöhnt. "Dieses Zigeunerleben gehört irgendwie zu mir. In meinem Leben bin ich schon ungefähr 20-mal übersiedelt." Probleme hat sie manchmal aber wegen der Zeitverschiebung - vor allem, wenn sie nach einer Woche Aufenthalt in den Vereinigten Staaten bis zu fünf Tage braucht, um sich zu regenerieren.
Leidet da nicht das Privatleben? "Nein", versichert Plessner. Immerhin ist ihr Mann ebenfalls Pilot und fliegt nicht ganz zufällig auch für Cargolux. Er kam ein Jahr später zum Unternehmen. "Wir kennen uns seit mehr als 20 Jahren. Unsere Wege haben sich immer wieder beruflich gekreuzt, ob früher bei Polsterer Jets oder Lauda Air." Vor drei Jahren wurde dann aus dem einstigen Jugendfreund ihr Ehemann.
Fliegende Männer haben es Plessner angetan: Ihr Vater war früher Pilot beim Bundesheer - er infizierte sie früh mit der Flugbegeisterung. Mit 18 Jahren hatte Plessner nicht wie andere ihre ersten Fahrstunden, sondern die ersten Flugstunden. Nach dem Privatpilotenschein folgten der Berufs- und dann der Linienpilotenschein. Die Ausbildung dauerte sieben Jahre und kostete rund 36.000 Euro.
>> Reifenplatzer bei 200 <<
Bevor die Pilotin auf Frachtmaschinen umsattelte, sammelte sie Erfahrungen bei Linie, Charter, Ambulanz und mit VIP's. Fast 10.000 Flugstunden liegen inzwischen hinter ihr. "Einen Reifenplatzer bei 200 km/h vor dem Start habe ich einmal erlebt, aber noch nie eine wirklich gefährliche Situation. Es gibt immer eine Lösung und einen Plan B", so Plessner. Diese Sicherheit ist das Ergebnis kontinuierlicher Schulungen. Jedes halbe Jahr müssen Trainings und Prüfungen sowie medizinische Untersuchungen für die Flugtauglichkeit absolviert werden. Werden diese nicht bestanden, droht der Lizenzverlust.
Bei Cargolux sind 350 Piloten aus 27 Nationen im Einsatz, darunter 160 Kapitäne. Plessner nahm mit ihrem Jobwechsel in Kauf, wieder als Co-Pilot zu fliegen - bei Lauda Air war sie drei Jahre lang Kapitän gewesen. Ein Prozedere, das als Senioritätsprinzip bezeichnet wird. "Das ist ganz normal. Man beginnt wieder von vorn. Je länger man dabei ist, umso weiter klettert man dann die Liste von potenziellen Kapitänen hinauf. Bei Pension, Jobwechsel oder einem Jetkauf kommt es zu einer Aufwertung. Derzeit stehe ich an 120. Stelle."
>> Abstieg, dann Aufstieg <<
Bereut hat Plessner die Entscheidung jedoch nie. Immerhin tauschte sie den Arbeitsplatz: statt der kleineren Boeing 737 fliegt sie nun Jumbojets. Und eine Unterscheidung zwischen Co-Pilot und Kapitän gäbe es ohnehin nur auf dem Papier. "Ein Co-Pilot muss dieselbe Leistung wie ein Kapitän erbringen. Er ist heute viel mehr ins Geschehen involviert und ist Teil des Teams im Cockpit." Und da spiele es auch gar keine Rolle, dass sie eine Frau ist. Genauso wenig wie bei den anderen neun weiblichen Piloten bei Cargolux. Was ist aber der Reiz am Fliegen? "Jeden Tag etwas anderes zu sehen und das jeden Tag in einem neuen ‚Büro'", bringt es Plessner auf den Punkt. Also Fliegen bis zur Pension? "Nicht um jeden Preis", sagt Plessner. Wenn sie etwas anderes "anspringen" sollte, ist sie offen dafür. So könnte sich Christa Plessner vorstellen, einmal eine Vinothek aufzumachen. Eine Sommelier-Ausbildung erscheint ihr da gar nicht abwegig. Schliesslich hat Christa Plessner ja bewiesen, dass sie vor Veränderungen nicht zurückschreckt.
Quelle: WIRTSCHAFTSBLATT, Druckausgabe vom 05. 11. 2005