Quelle: http://www.diepresse.at/home/meinung/ko ... hannel=414
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Der Einstieg in den Ausstieg aus der Vernunft
Utl.: "Presse"-Leitartikel, vom 26.6.2007, von Michael Fleischhacker
Wien (OTS) - Leider nicht zum Nulltarif: Das Gemurkse um die Eurofighter hat ein Maximum an Glaubwürdigkeit gekostet.
Die "Umfaller"-Analysen, also den schlichten Vergleich zwischen dem, was die SPÖ im vergangenen Nationalratswahlkampf versprochen hat, und dem, was derzeit in diesem Land passiert, kann eigentlich keiner mehr hören. Egal, ob man es professoral formuliert wie Alexander Van der Bellen oder bodenständig wie Heinz-Christian Strache: Mehr als ein müdes "Ja eh" will einem zum x-ten Hinweis auf den "Umfallerkanzler" nicht mehr einfallen. Denn, ebenfalls bereits zum x-ten Mal: Das Problem mit Alfred Gusenbauer und der SPÖ ist nicht, dass sie jetzt nicht tun, was sie vorher versprochen haben. Das Problem ist, dass sie einen vollkommen jenseitigen Wahlkampf geführt - und gewonnen - haben. "Sozialfighter statt Eurofighter" war so ziemlich der abgeschmackteste Slogan, der diesem satten Land jemals zum medialen Fraß vorgeworfen wurde. Die Leute haben trotzdem zugebissen. Jetzt soll sich keiner über jene politische Ess-Brech-Sucht wundern, deren Symptome in praktisch jeder veröffentlichten Meinungsumfrage grafisch aufgearbeitet werden. Die SPÖ hat sich jedenfalls im Verlauf der letzten Tage in hübsch abgestufter Weise vom zunächst als "vorrangige Option" präsentierten Totalausstieg verabschiedet. Zuerst der Bundeskanzler, dann der Klub-obmann, dann der Bundespräsident, zum Schluss der Verteidigungsminister, der "das große Los" gezogen hat. Jetzt will er als jener Minister in die österreichische Geschichte eingehen, der "mindestens sechs Milliarden Schilling eingespart" hat, indem er die Bestellung von 18 auf 15 Stück reduziert. Man müsste einmal nachfragen, ob je ein "Billa"-Filialleiter, der beim Inzersdorfer Gemüsegroßmarkt 15 statt 18 Kilo Erdäpfel geordert und hinterher den Differenzbetrag als "Einsparung" verbucht hat, zum Finanzvorstand des Konzerns befördert worden ist.
Norbert Darabos scheint überhaupt jede Peinlichkeitsberührungsangst abgelegt zu haben: Am Montag erklärte er, die kompromisslose Festlegung seiner Partei auf den Ausstieg sei eine der üblichen "Verkürzungen in der öffentlichen Meinung". Ein ziemliches Bubenstück, wenn man bedenkt, dass die Austria Presseagentur (APA) gleichzeitig mit dieser Meldung die einschlägigen Zitate mitgeliefert hat. Dass die ÖVP sich jetzt als Sieger sieht, zeigt: Es handelt sich in der "Causa Eurofighter" tatsächlich um einen Totalausstieg, leider nicht zum Nulltarif. Total ausgestiegen ist man aus dem System einer einigermaßen vernuftgeleiteten Verteidigungspolitik, gekostet hat es ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit. All jene ÖVP-Politiker, die während der vergangenen Monate und zum Teil auch jetzt behaupten, das Feilschen um die Anzahl der Flugzeuge sei der Sache unangemessen, sollten kurz in den Sommer 2004 zurückblenden: Damals hatte die ÖVP-geführte Regierung die Stückzahl von 24 auf 18 verringert. Wegen des Hochwassers. Das war der Einstieg in den Ausstieg aus der Vernunft. Was dazwischen liegt, ist ein Panoptikum der österreichischen Politverwahrlosung: Auf den jenseitigen SPÖ-Wahlkampf folgte der nicht weniger jenseitige Untersuchungsausschuss. Der fand zwar alles Mögliche, nur nicht die berühmte "smoking gun", die den "Ausstieg zum Nulltarif" ermöglicht - und damit die Notwendigkeit einer Beschaffungsalternative zu vermutlich nicht wesentlich niedrigeren Kosten bedeutet hätte. Nutzlos war der Ausschuss dennoch nicht: Wer bisher nicht wusste, dass sich in manchen höheren Beamten- und Politikerkreisen Filz und Dilettantismus ein ewig unentschiedenes Match liefern, der weiß es jetzt. Und wer bisher den Verdacht hatte, es müsse doch irgendwo auf der Welt ein Ausschusslokal geben, das groß genug ist für Peter Pilz und sein Ego, der weiß es jetzt besser.
Man kann nur hoffen, dass die Regierung das Eurofighter-Gemurkse so schnell wie möglich beendet. Dann müssen wir nur noch die paar Wochen überstehen, in denen beide Parteien den Irrsinn, den sie da verbrochen haben, jeweils als politische Großtat abgefeiert haben, und dann vergessen wir das Thema Landesverteidigung am besten.
Es ist einfach sinnlos, in einem Land, dessen Verteidigunsminister alles, aber auch wirklich alles, was mit seinem Aufgabenbereich zusammenhängt, sichtlich körperliches Unwohlsein bereitet und dessen Bundeskanzler Abfangjäger trotz feuriger Bekenntnisse zur immerwährenden Neutralität für sinnlos-teures Spielzeug hält, ernsthaft über Verteidigungspolitik zu diskutieren.
Sonst reden wir in zwei Monaten darüber, ob man sich die vom Bundeskanzler vorgeschlagene Vermögenssteuer durch die Abbestellung von drei weiteren Abfangjägern ersparen könnte. Und kommen drauf, dass der Sozialminister die "Ersparnisse" aus diesem Nicht-Kauf bereits den Ländern als Ersatz für die Nicht-Finanzierung der 24-Stunden-Pflege zugesagt hat.
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Weiteres zum Thema Eurofighter im Luftfahrtforum Österreich:
http://www.flughafen-aspern.at/forum/vi ... 6939#46939
Leitartikel aus der Presse zur Eurofighter Causa
Leitartikel aus der Presse zur Eurofighter Causa
Glück ab, gut Land!
LOWA - Wien's einstiger Flughafen, 1912 - 1977
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