Gewitterschutz durch Laser

Für alles, was nicht in andere Foren passt - (fast) alles ist erlaubt ...
Post Reply
LOWA
Administrator
Administrator
Posts: 16211
Joined: 3. Aug 2004, 21:26
Location: Österreich

Gewitterschutz durch Laser

Post by LOWA » 8. Jun 2006, 18:31

Blitze mit Auslöser

Kurze Laserpulse können Blitze vom Himmel holen. Noch ist allerdings nicht klar, ob sich Flughäfen mit der Technik vor den Folgen von Gewittern schützen lassen

VON Patrick Eickemeier

Wenn es über dem Frankfurter Flughafen blitzt und donnert, müssen rund 100 Flugzeuge in Warteschleifen geschickt werden. Insgesamt entstehen etwa 1000 Verspätungsminuten. Erst nach drei Stunden ist die Warteschlange der Flieger wieder abgebaut, und der normale Betrieb kann wieder aufgenommen werden.

Gewitter sind wegen der unberechenbaren Winde und des Hagels ein Problem für die Luftfahrt. Gegen diese Phänomene gibt es keine Mittel, die störenden und bisweilen gefährlichen Blitze aber könnte man mit Technik vom Himmel holen: "Man kann Gewitterwolken gezielt entladen", sagt Ludger Wöste von der Freien Universität in Berlin. Flugzeuge im Landeanflug, aber auch gefährdete Installationen am Boden wie etwa elektrische Verteilerstationen könnten so besser geschützt werden.

Geräte zur Entladung von Wolken gibt es bereits. Atmosphärenforscher behelfen sich damit, herannahende Gewitter mit Raketen zu beschießen, die durch Metalldrähte mit dem Boden verbunden sind. Wöste und sein Team wollen Gewitterwolken jedoch drahtlos entladen, mit einem so genannten Femtosekunden-Laser.

Diese Geräte strahlen Lichtblitze von 100 Femtosekunden Dauer ab, das ist der zehntausendste Teil einer Milliardstel Sekunde. In dieser unvorstellbar kurzen Zeitspanne kommt auch ein Laserstrahl mit Lichtgeschwindigkeit nur wenige Hundertstel Millimeter voran. Während ihrer winzigen Lebensdauer erreichen die Lichtpulse allerdings eine enorme Leistung, die im Terawattbereich liegt. Zum Vergleich: Sämtliche Kraftwerke der Erde produzieren aufs Jahr gerechnet rund 400 Terawatt Leistung.

Diese Laser tun ihre Dienste bislang in den Labors von Physikern und Chemikern. Eher durch Zufall entdeckte Wöste, dass die energiereichen künstlichen Blitze bei richtiger Anwendung auch zum Entladen von Wolken taugen könnten. Mit einem Femtosekunden-Laser wollte sein Forscherteam 1995 einen künstlichen Stern am Nachthimmel über Jena erstrahlen lassen. Der Laser wurde dazu fokussiert, seine gebündelte Energie sollte die Moleküle der Luft in ihre elektrischen Bestandteile zerlegen und so ein weiß leuchtendes so genanntes Plasma im thüringischen Nachthimmel erzeugen. Mit Hilfe eines solchen künstlichen Sterns könnten astronomische Teleskope geeicht werden. Das zurückgestrahlte Lichts verrät darüber hinaus auch etwas über die Bestandteile der Luft, wie etwa Ozon oder Wasserdampf. Solche Messungen sind bislang neben Laborexperimenten die häufigste Anwendung für Femtosekunden-Laser.

Der Jenaer Versuch lieferte jedoch ein unerwartetes Ergebnis. Anstelle des künstlichen Sterns beobachteten die Physiker einen weißen Lichtstrahl, der sich über mehrere Kilometer ausdehnte. Spätere Messungen zeigten, dass es sich dabei um ein Bündel mehrerer Plasmakanäle handelte, die Strom besser leiten als die umgebende Luft. Auf diesem Weg, so Wöste, können künftig Gewitterwolken entladen werden, bevor sie es von selbst tun.

Das unerwartete physikalische Phänomen und die Anwendungsmöglichkeiten überzeugten die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das französische CNRS, das Projekt "Teramobile" finanziell zu unterstützen. Die Physiker brachten einen Femtosekunden-Laser in einem transportablen Container unter. Der Container ging auf Reisen, das Team untersuchte in Deutschland, Frankreich und den USA Bestandteile der Luft. Für seine Forschungsergebnisse wurde Wöste im Februar mit dem Gay-Lussac-Humboldt-Preis des französischen Ministeriums für Erziehung und Wissenschaft ausgezeichnet.

Die Messung funktioniert schon recht gut, für eine gezielte Entladung von Wolken in freier Natur muss Wöstes Team dagegen noch eine technische Hürde nehmen. Im Labor funktioniert die Entladung nur über wenige Meter Distanz. Die Plasmakanäle können bislang nur für einen Bruchteil der Zeit geöffnet werden, die ein Blitz auf seinem Weg zum Erdboden benötigt. Die Forscher möchten die Femtosekunden-Impulse daher wie eine Zündkerze einsetzen und einen länger anhaltenden Laserstrahl nachschicken, der das entzündete Plasma aufrechterhält.

Mit finanzieller Unterstützung der US Air Force starteten die Forscher auch einen ersten Feldversuch an dem in 3000 Meter Höhe gelegenen Langmuir-Blitzforschungszentrum in Socorro, New Mexico. Es gelang jedoch nicht, Blitze mit dem Laserstrahl abzuleiten. Die Entladungen waren zu selten, das Wetter war einfach zu gut.


Quelle: FTD Financial Times Deutschland vom 08.06.2006
Glück ab, gut Land!

LOWA - Wien's einstiger Flughafen, 1912 - 1977

Post Reply