Fluglinien wehren sich gegen System-Gebühr
Die Reservierungsanbieter Amadeus und Sabre geraten unter Druck
MATTHIAS EBERLE | FRANKFURT In der Reisebranche tobt ein heftiger Streit zwischen Fluggesellschaften und Betreibern globaler Reservierungssysteme (GDS). Der weltgrößte Luftfahrtverbund Star Alliance hat seine 18 Mitglieder aufgefordert, die jüngste Kooperation der GDS-Schwergewichte Amadeus und Sabre rechtlich prüfen zu lassen: Die hatten kürzlich vereinbart, sich untereinander Flugangebote zur Verfügung zu stellen, sollten sie in einem der Systeme nicht mehr buchbar sein.
Die Star Alliance zeige sich überrascht, dass zwei der vier weltgrößten Systembetreiber in einem Markt zusammenarbeiten dürften, "dem es ohnehin bereits an echtem Wettbewerb mangelt", sagte deren Chef Jan Albrecht. Der Vertriebsvorstand der größten US-Fluglinie American Airlines, David Cush, hatte öffentlich von einem "Kartell" zwischen Amadeus und Sabre gesprochen. Eine Amadeus-Sprecherin sagte gestern dem Handelsblatt, man habe die Vereinbarung sorgfältig geprüft und sehe darin "eine Schutzmaßnahme für unsere Kunden" bei Systemausfällen.
Hintergrund des Streits ist der Trend zur Reisebuchung via Internet, der sich zu einer ernsten Bedrohung für etablierte Systemanbieter entwickelt. Nach fetten Jahren, in denen Amadeus, Sabre und Galileo den touristischen Markt dominierten und auf operative Renditen von mehr als 20 Prozent kamen, gerät das Oligopol der IT-Dienstleister zunehmend unter Druck. Das liegt vor allem an Billigfliegern, die auf den Direktvertrieb im Internet setzen und damit nicht nur Reisebüro-Provisionen umgehen, sondern auch die Gebühren der GDS-Anbieter.
Diesem Trend folgend sind auch klassische Fluglinien nicht mehr bereit, durchschnittlich zwölf Dollar Gebühr pro Ticket an Amadeus & Co. zu zahlen. Inzwischen drängen alternative Anbieter wie G2 Switchworks, ITA Software oder Lufthansa Systems auf den Markt, die mit einer leistungsfähigen Software und deutlich günstigeren Konditionen locken.
Eine Studie des Marktforschungsinstituts Forrester Research belegt, dass GDS-Anbieter zwischen 2001 und 2006 deutliche Marktanteilsverluste hinnehmen mussten (siehe Grafik). Auf diese Bedrohung haben Amadeus und Sabre mit einer Kooperation reagiert, die jetzt die Gemüter in der Airline-Branche erhitzt. Die Systembetreiber wollten damit "das letzte bisschen Spielraum einengen, das uns bei Preisverhandlungen noch bleibt", hieß es aus dem Umfeld der Star Alliance.
Als Indiz für die angespannte Lage gilt auch die jüngste Mitteilung des US-Reise- und Immobilienkonzerns Cendant, einen Verkauf seiner Sparte Travel Distribution Services (TDS) zu prüfen. Hinter diesem Geschäftsbereich verbergen sich bekannte touristische Dienstleister wie Orbitz und Galileo. Im Vorjahr hatten bereits die Eigentümer von Amadeus (Umsatz: 2,42 Mrd. Euro) Kasse gemacht: Die Flugkonzerne und Amadeus-Gründer Air France, Iberia und Lufthansa reduzierten ihre Anteile an dem Unternehmen deutlich und ließen Finanzinvestoren ans Ruder: Cinven und BC Partners zahlten 4,34 Mrd. Euro und stemmten damit eine der größten fremdfinanzierten Übernahmen Europas.
Seither lassen die Fluglinien keinen Termin mehr aus, um öffentlich gegen die IT-Dienstleister zu Felde zu ziehen. "Die drastische Reduzierung der GDS-Gebühren ist eine Top-Priorität für unsere Mitglieder", heißt es in einem Positionspapier der Star Alliance. Eigenen Angaben zufolge zahlen die Star-Mitglieder derzeit mehr als zwei Mrd. Dollar pro Jahr an GDS-Gebühren.
Einige Fluglinien des Bündnisses wie British Midland oder Garuda wurden Amadeus bereits untreu und bestellten das System "Face" von Lufthansa Systems. "Die Möglichkeiten der Airline-Industrie, ihre Kosten mit Hilfe von IT zu senken, sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft", sagt dessen Chef Wolfgang Gohde.
Quelle: Handelsblatt vom 05.05.06