Heute Nationalratswahl
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- Flottenchef e.h.
- Posts: 1441
- Joined: 3. Jun 2006, 10:23
CRJ200_LOWG wrote:Lach nicht MoBaY! Du gehörst auch zu der Kat. der "störenden" Kunden (liebgemeint).
Also wenn du dich von Mails stören lässt, wie sehr verzweifelst du denn dann, wenn ich mal persönlich auftauche?
So, damit war ich wieder genug OT.
LG
Helmut Newton im Restaurant.
Koch: "Ihre Fotos gefallen mir, sie haben bestimmt eine gute Kamera!"
Newton nach dem Essen: "Das Essen war vorzüglich - sie haben bestimmt gute Töpfe!"
Ich danke allen, die keine Ahnung haben und trotzdem schweigen.
Koch: "Ihre Fotos gefallen mir, sie haben bestimmt eine gute Kamera!"
Newton nach dem Essen: "Das Essen war vorzüglich - sie haben bestimmt gute Töpfe!"
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- Flottenchef e.h.
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So, lieber MoBaY! Jetzt werde ich dir mal unsere Öffnungszeiten verraten:
Mo-Fr.: 09.00-09.25
Mittagspause
anschli. 13.34-15.00
alle Termine nach Vereinbarung und Gutwill. Bei potenziellen Kunden wird Einlaß gewährt im Voraus aber mit €100,-- (in Worten: einhundert) als kleinen Obulus der Erkenntlichkeit.
Weitere Fragen, MoBaY???
Mo-Fr.: 09.00-09.25
Mittagspause
anschli. 13.34-15.00
alle Termine nach Vereinbarung und Gutwill. Bei potenziellen Kunden wird Einlaß gewährt im Voraus aber mit €100,-- (in Worten: einhundert) als kleinen Obulus der Erkenntlichkeit.
Weitere Fragen, MoBaY???
So, die neue Regierung steht. Obwohl die ÖVP Wahlverlierer war, ist sie eindeutiger Gewinner der Verhandlungen. Und Gruselbauer steht mit "heruntergelassenen Hosen" (Zitat "Standard" ) als "Kanzler von Schüssels Gnaden" (mein eigenes Zitat *g* ) da. Und wie von der SPÖ nicht anders zu erwarten, wurden bereits jetzt nahezu sämtliche Wahlversprechen gebrochen. Vor allen Dingen die Sache mit den Studiengebühren ist mir gut in Erinnerung - und von Anfang war für mich klar, dass Gruselbauer lügt und diese bleiben würden.
Hier sind die Kommentare aus den Medien - selten waren sich die Kommentatoren so einig.
Die nachfolgenden Zusammenfassungen und Kommentare wurden von ORF-Online übernommen:
Österreichische und internationale Pressestimmen
Kommentatoren sind sich einig: SPÖ ist nach den Verhandlungen wenig geblieben.
Der Standard, Wien / 9.1.2007
Die schwere Last zum Amtsantritt
Von Michael Völker
Die ÖVP hat die Wahlen verloren und die Verhandlungen gewonnen. Wolfgang Schüssel kann im Nachhinein zufrieden sein. Der ÖVP-Obmann hat für seine Partei das Maximum herausgeholt. Finanzen, Inneres, Äußeres, Wirtschaft und Arbeit, Wissenschaft und Universitäten, dazu Gesundheit, Landwirtschaft und Umwelt, sowie Gesundheit, Familie und Jugend.
Damit hat die Volkspartei die wesentlichen Ressorts - sowohl was das Prestige als auch was den Handlungsspielraum betrifft - besetzt. Die ÖVP wird damit weiterhin in breiten Bereichen die gesellschaftspolitische Linie in diesem Land vorgeben - vom Budget über die Universitäten bis hin zum Asyl- und Integrationsbereich. Die rot-weiß-rote Linie sei damit eine schwarze, stellte Schüssel am Montag mit Genugtuung fest.
Alfred Gusenbauer ist Bundeskanzler - mit heruntergelassenen Hosen. Dass er als Kanzler angelobt wird, scheint zwar als Folge des Wahlergebnisses vom 1. Oktober selbstverständlich, wirkt aber angesichts des sonstigen Verhandlungsergebnisses fast schon wie ein Erfolg, den er Schüssel herausgerissen hat.
Die SPÖ hat praktisch zum Regierungsantritt bereits alle Versprechen und Ankündigungen gebrochen, die sie im Wahlkampf als Slogans ausgegeben hat. (...)
Die relativ unattraktiven Ressorts, die die SPÖ zugesprochen bekommen hat, sind nicht zufällig auch jene, die Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 der FPÖ überlassen hat.
Die größte Überraschung bei der Ressortaufteilung ist wohl der Umstand, dass die SPÖ nicht nur das Finanzressort, sondern auch das Innenministerium aufgegeben hat. Norbert Darabos, der ursprünglich als roter Innenminister vorgesehen war, muss sich als künftiger Verteidigungsminister mit den Eurofightern herumschlagen - eine äußerst undankbare Aufgabe. (...)
Die Universitäten bleiben in schwarzer Hand, die Beibehaltung der Studiengebühren werden aber die Sozialdemokraten zu rechtfertigen haben. Dass reiche Studenten die Gebühr einfach abschreiben werden, arme sie in Form eines Sozialdienstes abarbeiten dürfen, wird auch parteiintern für Diskussionen sorgen.
Dem neuen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wird die nächsten Jahre ein scharfer Wind entgegenwehen. Er muss sich erst einmal in seiner eigenen Partei für ein Verhandlungsergebnis rechtfertigen, das alles andere als Euphorie aufkommen lassen wird. Der von Schüssel gepflasterte Boden der Realität bedeutet für die Sozialdemokraten totale Ernüchterung.
Rechtfertigungsbedarf hat Gusenbauer aber nicht nur innerhalb der Partei, es wird für ihn auch extrem schwierig, diese Regierung mit ihren Schwerpunkten seinen Wählern und Sympathisanten zu verkaufen. Gusenbauer startet als Kanzler mit der schweren Last gebrochener Wahlversprechen, mit einer nahezu lächerlichen Ministerliste und einem Regierungsprogramm, das gerade den SPÖ-Anhängern ganz schwer verkäuflich ist. (...)
Die Presse, Wien / 9.1.2007
Sehr großes Projekt? Sehr große Koalition!
Von Michael Fleischhacker
Soll sie ruhig kommen, die Globalisierung, wir sind jetzt gerüstet. In Österreich wird ab Donnerstag eine neue Regierung amtieren, und die hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Brutalitäten des Weltgeschehens im Allgemeinen und der Globalisierung im Besonderen ihren Schrecken zu rauben. Das nämlich ist, wie der abgehende und der aufgehende Bundeskanzler bei ihrem sehr gemeinsamen Auftritt übereinstimmend erklärten, das immer wieder eingeforderte große Projekt der großen Koalition. In der Tat ein sehr großes Projekt. Ist ja auch eine sehr große Koalition. (...)
Was Wolfgang Schüssel und Alfred Gusenbauer am Montag der österreichischen Öffentlichkeit geboten haben, entzieht sich über weite Strecken einer sachlichen Behandlung. Um Missverständnisse zu vermeiden: Niemand wird so naiv sein, von einer Koalition, deren einzige Existenzgrundlage die Alternativenlosigkeit ist, eine klare Richtungsentscheidung zu erwarten. Koalition heißt Kompromiss, große Koalition heißt großer Kompromiss.
Seit klar wurde, dass sich die ÖVP vor der Opposition noch mehr fürchtet als vor der Juniorrolle und dass Alfred Gusenbauer gemäß dem olympischen Motto "Als Kanzler dabei sein ist alles" den gesamten Rest zur Disposition stellen würde, ging es bei den Verhandlungen ausschließlich um inhaltliche und personelle Maßnahmen der Gesichtswahrung. Man hat sich auf den Minimalkonsens geeinigt. (...)
Allen Ernstes zu erklären, wie genial man das Mondfenster der Verfassungsmehrheit genutzt habe, ist aber doch ein starkes Stück. Für wie beschränkt hält Alfred Gusenbauer die österreichische Bevölkerung im Allgemeinen und die Studenten im Besonderen, wenn er meint, er könne den völlig absurden "Kompromiss" in der Frage der Studiengebühren als Meilenstein in der Solidargeschichte der Menschheit darstellen?
Wie, außer unter der Voraussetzung eines eingeschränkt zurechnungsfähigen Publikums, können zwei Parteien, die sich in den wesentlichen Punkten darauf geeinigt haben, dass eine Nichteinigung auch kein Problem ist, so tun, als ob diese Formelkompromisse und Überschriftensammlungen die große Chance in der Geschichte dieses Landes darstellten?
Man kann das nicht einfach in der Schublade "Oberflächliches" ablegen, weil es sich um ein Grundproblem des österreichischen Politpersonals handelt. Wie oft hatten wir nun schon eine "große Koalition ganz neu"? Und was ist aus dem "Neu Regieren" nach der "Wende" geworden, außer der Weiterentwicklung des Proporzes zum Versorgungssystem für an sich unvermittelbare FP-Emporkömmlinge? Sollten sich Rot und Schwarz in den nächsten Tagen herbeilassen, ihre Überschriftensammlungen mit nachvollziehbaren Daten zu unterlegen, wird sich wohl noch das eine oder andere Vernünftige finden lassen. Ein schwacher Trost für eine starke Verhöhnung.
Kurier, Wien / 9.1.2007
Von Andreas Schwarz
(...) Noch vor seiner Angelobung hat er (Gusenbauer, Anm.) fast alle Grundsätze und Versprechen, für die er (mit Stimmenverlusten) gewählt wurde, auf dem Altar des "Ich will da hinein" gnadenlos geopfert: Eurofighter-Storno, ersatzlose Abschaffung der Studiengebühren, Solidarbeitrag, große Pensionsreform-Korrektur, Gesamtschule - all das waren vollmundige Ankündigungen, die der SPÖ-Chef jetzt nicht halten kann. Bei der Ministerien-Vergabe hat sich Gusenbauer überhaupt gründlich "abräumen" lassen. Nun mag schon stimmen: Bei zwei gleich starken Partnern kann es nur Kompromisse geben. Aber ausschließlich solche zu Lasten der eigenen Wahlversprechen?
Kronen Zeitung, Wien / 9.1.2007
Von Peter Gram
(...) Für das Land wäre es jedenfalls gut, wenn Grasser Finanzminister bleibt, denn dann scheint garantiert, dass der bisherige vorsichtige Sparkurs beibehalten wird. Jede Menge Vorbehalte gegen Grasser gibt es natürlich in der SPÖ, doch wenn man das Finanzministerium bei Koalitionsverhandlungen an die ÖVP abtritt, dann steht auch die Nominierung der Person des Finanzministers de ÖVP zu. So sind nun einmal die Regeln in der Politik. (...)
Kleine Zeitung, Graz / 9.1.2007
Die große Koalition neu: Wo ist das Große, wo das Neue?
Von Hubert Patterer
Österreich kehrt also nach sieben Jahren zurück zur großen Koalition. Die Bürger finden es zunächst schön, wenn sich die Großen vertragen und große Worte sprechen. Daher sind große Koalitionen am Beginn beliebt, und man macht sich unbeliebt, wenn man die Beliebtheit hinterfragt oder an die Erinnerung appelliert. Etwa daran, dass große Koalitionen irgendwann großen Verdruss hervorbringen, weil naturgemäß Hader und Missgunst durchbrechen und jede Handschrift unkenntlich machen.
Dieser Verdruss nährt die Rechten, das sollten jene, die ihren wohl verdienten Abschied von der Sphäre der Macht beklatschen und die große Koalition der Vernunft und der Moral willkommen heißen, nicht vergessen. Für das BZÖ und die FPÖ wird auch diese große Koalition ein Genesungs- und Wellness-Labor.
Die große Koalition, so wurde versichert, werde ihre Machtfülle rechtfertigen, indem sie Neues, Großes zustande bringe. Was SPÖ und ÖVP vorgelegt haben, ist von deprimierender Mutlosigkeit und legitimiert die Skepsis, mit der man diese große Koalition begrüßen sollte. Statt der Erneuerung des Gesundheitssystems werden die Beiträge erhöht, von der Staatsreform bleibt das Wahlrecht für Teenager und von der Bildungsreform eine verwaschene Aufwertung des dritten Kindergartenjahres sowie eine ohnehin schon zuvor beschlossene Verkleinerung der Klassen. (...)
Die ÖVP hat sich ihren Macht- und Kanzlerverlust fesch dekorieren lassen, mit einer Perlenkette funkelnder, prestigeträchtiger Ministerien. Die SPÖ-Spitze muss vom Eros der Kanzlerwürde so berauscht gewesen sein, dass sie nicht nur alle Versprechen begrub, sondern in einem Akt verblüffender Selbstlosigkeit einlud, die roten Kugeln vom Christbaum zu räumen. Treuherzig nahm sie auch noch das Danaergeschenk des Verteidigungsministeriums an. Die SPÖ darf somit aussichtslos nachverhandeln und hat im Frühling in Zeltweg die hübsche Ehre, die ersten Eurofighter mit der Blaskapelle in Empfang zu nehmen. (...)
Oberösterreichische Nachrichten, Linz / 9.1.2007
Die Wende der Wende bleibt aus
Von Gerald Mandlbauer
Als jener Supermann, der Wolfgang Schüssel das Amt des Kanzlers entrissen hat, als derjenige, der den fälligen Politikwechsel einläuten wird, der Korrekturen an der Gräuelpolitik der letzten sechs Jahre vornehmen wird, der Armen gibt und Reichen nimmt, der dazu die Steuerpolitik ändert, der Studiengebühren abschafft und den Eurofighter-Kauf stoppt, als ein richtiger Hero der Sozialdemokratie also, hätte Alfred Gusenbauer am Donnerstag angelobt werden sollen. Doch schon vor der Amtseinführung ist der Rausch vorbei: Der Preis für das Kanzleramt ist aus Sicht vieler Sozialdemokraten zu hoch, die Volkspartei hat die Wahlen verloren und die darauf folgenden Verhandlungen gewonnen.
Statt uns darüber zu unterhalten, ob die neue Koalition ambitioniert genug antritt, ob sie große Würfe plant, (auf beide Fragen ein klares "Nein") hat gestern eine Debatte darüber eingesetzt, ob Alfred Gusenbauer für das Amt seine Partei verkauft hat. In den Sekretariaten der SPÖ zogen es die Funktionäre vor, zu schweigen. Kanzler-Jubel hört sich anders an. (...)
Von Gusenbauers Ankündigung einer Wende der Wende wird nichts vollzogen. Die SPÖ zahlt den Preis für eine übertriebene Wahlkampf-Rhetorik, ihre Wähler werden Opfer überzogener Erwartungen. (...)
Gusenbauer startet als Kanzler bei Gegenwind aus den eigenen Reihen. Das war bei seinem Antritt als Parteivorsitzender auch so gewesen, er hat sich durchgebissen. Und dass der neue Kanzler offenbar darauf aus ist, pragmatisch zu agieren und nicht ideologisch, muss für das Land nichts Schlechtes bedeuten. Uns bleiben große Experimente erspart.
WirtschaftsBlatt, Wien / 9.1.2007
Regierung: Eine Beziehung auf Zeit
Von Arne Johannsen
Abgeräumt - den Sozialdemokraten geht es nach der Einigung über die neue Regierung wie den Christbäumen wenige Tage nach Weihnachten. Vom Glanz des (Wahl-)Festes ist nichts geblieben, außer der Kanzler-Sessel.
Erst die Wahl verloren, danach noch mehr verloren (während der zeitweisen Verhandlungsblockade stürzte die ÖVP in den Umfragen noch tiefer als am Wahltag), und am Ende doch gewonnen - die ÖVP darf sich fühlen wie der Schweizer Skiläufer Marc Berthod, der es am Wochenende beim Slalom in Adelboden im zweiten Durchgang vom aussichtslosen 27. Rang doch noch an die Spitze schaffte.
Innen- und Außenministerium, Finanz- und Wirtschaftsministerium in schwarzer Hand - so viele Schlüsselressorts hat noch kein Juniorpartner einer Koalitionsregierung herausgeholt. Im Gegenteil: Das zentrale Finanzressort war stets ein Trumpf in der Hand der Kanzlerpartei.
Nicht einmal mit der Umsetzung zentraler Wahlkampfversprechen kann SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer punkten: Die Studiengebühr bleibt, wenn auch mit der 60-stündigen Sozialarbeit eine innovative Alternative geschaffen wird. Vom Eurofighter-Ausstieg bleibt nicht mehr als ein Nachverhandeln mit dem Hersteller EADS. Diese Mission Impossible muss ausgerechnet ein roter Verteidigungsminister durchführen - der erste Verlierer des neuen Kabinetts steht damit fest.
Doch abseits aller Häme über den gewaltigen Preis, den Gusenbauer für den Kanzlerposten bereit war zu zahlen: Es gibt auch interessante Zwischentöne. "Leistung" war eines der ersten Worte von Gusenbauer bei der gestrigen Pressekonferenz, auch die Stärkung des Wirtschaftstandorts Österreich kam nicht erst unter "Sonstiges" - beides nicht selbstverständlich für einen roten Politiker. Dass das Thema Bildung zudem ganz am Anfang angesprochen wurde, macht zusätzlich Mut.
Diesen beweist das Duo Gusenbauer/Schüssel auch mit der geplanten Verlängerung der Regierungsperiode von vier auf fünf Jahre. Abgesehen davon, dass "seltener wählen" dem demokratischen Bewusstsein nicht unbedingt Flügel verleiht, werden beide Politiker kaum in den Genuss einer solchen Regelung kommen. Zu unausgeglichen ist die Machtbalance innerhalb der Regierung, zu klar die VP-Dominanz. Konflikte mit der roten Basis sind programmiert. Keine gute Grundlage für eine dauerhafte Regierungsbeziehung.
Tiroler Tageszeitung, Innsbruck / 9.1.2007
Mit VP-Handschrift
Von Michael Sprenger
Alfred Gusenbauer hat es also geschafft. Er hat die Wahlen gewonnen und führt nun die SPÖ von der harten Oppositionsbank wieder zurück auf die Regierungsbank. Das hätte ihm Ende September noch niemand zugetraut. Doch die Koalitionsverhandlungen hat er verloren. Und zwar anständig. Inhaltlich wie personell.
So holte sich die ÖVP in letzter Minute nicht nur das für die SPÖ so wichtige Innenministerium. Die Wahlverliererin wurde auch mit dem prestigeträchtigen Außenministerium, mit dem Wirtschaftsministerium und zu guter Letzt auch noch mit dem Finanzministerium belohnt. (...)
Trotzdem wird es für Gusenbauer sehr schwer werden, zu erklären, warum er in inhaltlich so zentralen SPÖ-Forderungen letztendlich nahezu überall nachgeben musste. Es ist nur schwer zu glauben, dass es der SPÖ gelingen wird, etwa den Kompromiss bei den Studiengebühren trotz aller möglichen Argumentationskünste als Erfolg zu verkaufen.
Also bleibt Gusenbauer nur die Hoffnung, dass das sozialpolitische Programm von Erfolg gekrönt ist. So ist neben der bedarfsorientierten Mindestsicherung seine Erklärung, die Arbeitslosigkeit um 25 Prozent zu senken, eine ambitionierte Ansage. Aber bislang eben nur eine Ansage. Und ob es die nun wieder gestärkte ÖVP zulassen wird, dass die SPÖ in dieser Legislaturperiode noch ihre Pläne einer liberalen Bildungs- und Gesellschaftspolitik umsetzen kann, darf bezweifelt werden. So stellt die SPÖ zwar wieder den künftigen Bundeskanzler, doch die Handschrift ist in erster Linie jene der Volkspartei.
Vorarlberger Nachrichten, Dornbirn / 9.1.2007
Gedemütigt
Von Johannes Huber
Wer hätte im vergangenen Sommer schon darauf gewettet, dass Alfred Gusenbauer Kanzler werden würde? Na also: Sozialdemokraten haben einen schönen Grund, sich darüber zu freuen, dass es nun endlich soweit ist; vor einem Vierteljahr hätte wirklich niemand darauf gesetzt.
Der Preis, den Gusenbauer und Co. bereit sind, dafür zu bezahlen, dürfte vielen allerdings viel zu hoch sein; Hannes Androsch wird schon Recht haben, wenn er berichtet, dass die Genossen fassungslos sind: Die Sozialdemokratie hat alle wichtigen Wahlversprechen gebrochen; die Studiengebühren bleiben und auch die Eurofighter werden beschafft. (...)
Daneben ist die SPÖ bereit, alle wichtigen Ministerien an die ÖVP abzutreten: Inneres, Äußeres, Finanzen, Wirtschaft. Was ihr bleibt sind Soziales (ohne "Arbeit") und Bildung (ohne Universitäten). Das ist lächerlich. Mit einer solchen Verteilung haben sich nicht einmal die Freiheitlichen im Jahr 2000 zufrieden gegeben; Haider und Co. haben sich immerhin das Finanzministerium gesichert.
Die sozialdemokratische Niederlage bei den Koalitionsverhandlungen ist alles in allem unübersehbar. Ja, man muss von einem Debakel sprechen, Gusenbauer hat sich demütigen lassen. Seine Parteifreunde werden ihm das nun aber wohl selbst zu verstehen geben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung / 9.1.2007
Alfred Gusenbauer ist am Ziel seines angeblich schon im Sandkasten geäußerten Wunsches angekommen: Er wird österreichischer Bundeskanzler. Die Eroberung des Ballhausplatzes hat dem SPÖ-Vorsitzenden einiges an Kraft, Ausdauer, Zugeständnissen und Selbstverleugnung abverlangt. (...)
Wie hoch der Preis für die Rückkehr an die Macht war, wird man erst ermessen können, wenn die Details des Koalitionsvertrags bekannt sind. Allem Anschein nach hat es sich für Schüssel und die ÖVP aber ausgezahlt, sich erst zu verweigern und dann quasi auf roten Samthandschuhen in die Regierung tragen zu lassen. So steht der Wahlverlierer des 1. Oktober 2006 nach dem hunderttägigen Verhandlungspoker doch wieder als Gewinner da. Nicht von ungefähr unken die oppositionellen Grünen bereits über eine "schwarze Regierung mit rotem Kanzler".
Süddeutsche Zeitung, München / 9.1.2007
Und wieder dreht sich alles um: Wahl gewonnen, Koalitionsverhandlungen verloren. So raunten sich am Montag in den Säulenhallen des Wiener Parlaments die Beobachter bei der Verkündigung des neuen Bündnisses zu. Die alte Kanzlerpartei ÖVP hatte den Verlust der Führungsrolle lange Zeit nicht akzeptieren wollen. Konsequent hat sie nun ihre Haut teuer verkauft, da für die Sozialdemokraten kein anderer Bündnispartner für eine Mehrheit im Parlament blieb.
Tagesanzeiger, Zürich / 9.1.2007
Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Gemeinsam können jetzt jene 1.663.986 Österreicher, die bei den vergangenen Wahlen der SPÖ ihre Stimme gaben, das alte Lied singen. Was der neue Kanzler Alfred Gusenbauer gestern als Programm der großen Koalition präsentierte, ist nicht weniger als Verrat an seinen Wählern. Die SPÖ war mit großen Versprechungen in den Wahlkampf gegangen: Sollte sie an die Macht kommen (was damals allerdings niemand glaubte), würde der Kauf der Eurofighter storniert werden, würden Studiengebühren abgeschafft und das Bildungssystem reformiert werden. Nichts wird so umgesetzt. (...)
Was die Sozialdemokraten in den Verhandlungen mit Wolfgang Schüssels offenbar exzellent vorbereiteten Bürgerlichen erreicht haben, kann auf einen Punkt reduziert werden: Gusenbauer wird Kanzler - Kanzler einer ÖVP-Regierung, wie selbst SPÖ-Politiker gestern ätzten. Und wenn schon die Präsentation des neuen Programms atmosphärisch stark an die "bleierne Zeit" der großen Koalition der 90er Jahre erinnerte, ist das sicher kein Zeichen für frischen Wind in der österreichischen Politik.
Die Welt, Hamburg / 9.1.2007
Sogar ein politischer Vollprofi wie Wolfgang Schüssel kann manchmal seine innersten Regungen nicht unterdrücken. In diesem Fall war es fast schon übermütige Freude, die aus dem scheidenden Kanzler sprach, als er Montag seine Sicht des eben abgesegneten Koalitionspaktes mit der SPÖ wiedergab: "Die rot-weiß-rote Linie, die sich durch unser Arbeitsübereinkommen zieht, ist auch eine schwarze." Man kann Schüssel nur beipflichten: Sie ist schwarz. Die ÖVP mag am 1. Oktober zwar mit Pauken und Trompeten die Wahlen verloren haben - aber drei Monate später gewann sie, nicht minder spektakulär, die Koalitionsverhandlungen. Zwar haben die Sozialdemokraten ihr Traumziel erreicht und das Kanzleramt wieder erobert. Aber das war's dann auch schon. (...)
Überall ist der Einfluss Wolfgang Schüssels deutlich erkennbar: Keine neuen Schulden, keine gesellschaftspolitischen Veränderungen, dafür ein klares Primat für wirtschaftspolitische Maßnahmen. Er kann zufrieden zurück blicken. Egal, ob er der neuen Regierung nun angehört oder nicht: Schüssels Handschrift kann der "Neue" im Kanzleramt kaum mehr verwischen.
Hier sind die Kommentare aus den Medien - selten waren sich die Kommentatoren so einig.
Die nachfolgenden Zusammenfassungen und Kommentare wurden von ORF-Online übernommen:
Österreichische und internationale Pressestimmen
Kommentatoren sind sich einig: SPÖ ist nach den Verhandlungen wenig geblieben.
Der Standard, Wien / 9.1.2007
Die schwere Last zum Amtsantritt
Von Michael Völker
Die ÖVP hat die Wahlen verloren und die Verhandlungen gewonnen. Wolfgang Schüssel kann im Nachhinein zufrieden sein. Der ÖVP-Obmann hat für seine Partei das Maximum herausgeholt. Finanzen, Inneres, Äußeres, Wirtschaft und Arbeit, Wissenschaft und Universitäten, dazu Gesundheit, Landwirtschaft und Umwelt, sowie Gesundheit, Familie und Jugend.
Damit hat die Volkspartei die wesentlichen Ressorts - sowohl was das Prestige als auch was den Handlungsspielraum betrifft - besetzt. Die ÖVP wird damit weiterhin in breiten Bereichen die gesellschaftspolitische Linie in diesem Land vorgeben - vom Budget über die Universitäten bis hin zum Asyl- und Integrationsbereich. Die rot-weiß-rote Linie sei damit eine schwarze, stellte Schüssel am Montag mit Genugtuung fest.
Alfred Gusenbauer ist Bundeskanzler - mit heruntergelassenen Hosen. Dass er als Kanzler angelobt wird, scheint zwar als Folge des Wahlergebnisses vom 1. Oktober selbstverständlich, wirkt aber angesichts des sonstigen Verhandlungsergebnisses fast schon wie ein Erfolg, den er Schüssel herausgerissen hat.
Die SPÖ hat praktisch zum Regierungsantritt bereits alle Versprechen und Ankündigungen gebrochen, die sie im Wahlkampf als Slogans ausgegeben hat. (...)
Die relativ unattraktiven Ressorts, die die SPÖ zugesprochen bekommen hat, sind nicht zufällig auch jene, die Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 der FPÖ überlassen hat.
Die größte Überraschung bei der Ressortaufteilung ist wohl der Umstand, dass die SPÖ nicht nur das Finanzressort, sondern auch das Innenministerium aufgegeben hat. Norbert Darabos, der ursprünglich als roter Innenminister vorgesehen war, muss sich als künftiger Verteidigungsminister mit den Eurofightern herumschlagen - eine äußerst undankbare Aufgabe. (...)
Die Universitäten bleiben in schwarzer Hand, die Beibehaltung der Studiengebühren werden aber die Sozialdemokraten zu rechtfertigen haben. Dass reiche Studenten die Gebühr einfach abschreiben werden, arme sie in Form eines Sozialdienstes abarbeiten dürfen, wird auch parteiintern für Diskussionen sorgen.
Dem neuen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wird die nächsten Jahre ein scharfer Wind entgegenwehen. Er muss sich erst einmal in seiner eigenen Partei für ein Verhandlungsergebnis rechtfertigen, das alles andere als Euphorie aufkommen lassen wird. Der von Schüssel gepflasterte Boden der Realität bedeutet für die Sozialdemokraten totale Ernüchterung.
Rechtfertigungsbedarf hat Gusenbauer aber nicht nur innerhalb der Partei, es wird für ihn auch extrem schwierig, diese Regierung mit ihren Schwerpunkten seinen Wählern und Sympathisanten zu verkaufen. Gusenbauer startet als Kanzler mit der schweren Last gebrochener Wahlversprechen, mit einer nahezu lächerlichen Ministerliste und einem Regierungsprogramm, das gerade den SPÖ-Anhängern ganz schwer verkäuflich ist. (...)
Die Presse, Wien / 9.1.2007
Sehr großes Projekt? Sehr große Koalition!
Von Michael Fleischhacker
Soll sie ruhig kommen, die Globalisierung, wir sind jetzt gerüstet. In Österreich wird ab Donnerstag eine neue Regierung amtieren, und die hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Brutalitäten des Weltgeschehens im Allgemeinen und der Globalisierung im Besonderen ihren Schrecken zu rauben. Das nämlich ist, wie der abgehende und der aufgehende Bundeskanzler bei ihrem sehr gemeinsamen Auftritt übereinstimmend erklärten, das immer wieder eingeforderte große Projekt der großen Koalition. In der Tat ein sehr großes Projekt. Ist ja auch eine sehr große Koalition. (...)
Was Wolfgang Schüssel und Alfred Gusenbauer am Montag der österreichischen Öffentlichkeit geboten haben, entzieht sich über weite Strecken einer sachlichen Behandlung. Um Missverständnisse zu vermeiden: Niemand wird so naiv sein, von einer Koalition, deren einzige Existenzgrundlage die Alternativenlosigkeit ist, eine klare Richtungsentscheidung zu erwarten. Koalition heißt Kompromiss, große Koalition heißt großer Kompromiss.
Seit klar wurde, dass sich die ÖVP vor der Opposition noch mehr fürchtet als vor der Juniorrolle und dass Alfred Gusenbauer gemäß dem olympischen Motto "Als Kanzler dabei sein ist alles" den gesamten Rest zur Disposition stellen würde, ging es bei den Verhandlungen ausschließlich um inhaltliche und personelle Maßnahmen der Gesichtswahrung. Man hat sich auf den Minimalkonsens geeinigt. (...)
Allen Ernstes zu erklären, wie genial man das Mondfenster der Verfassungsmehrheit genutzt habe, ist aber doch ein starkes Stück. Für wie beschränkt hält Alfred Gusenbauer die österreichische Bevölkerung im Allgemeinen und die Studenten im Besonderen, wenn er meint, er könne den völlig absurden "Kompromiss" in der Frage der Studiengebühren als Meilenstein in der Solidargeschichte der Menschheit darstellen?
Wie, außer unter der Voraussetzung eines eingeschränkt zurechnungsfähigen Publikums, können zwei Parteien, die sich in den wesentlichen Punkten darauf geeinigt haben, dass eine Nichteinigung auch kein Problem ist, so tun, als ob diese Formelkompromisse und Überschriftensammlungen die große Chance in der Geschichte dieses Landes darstellten?
Man kann das nicht einfach in der Schublade "Oberflächliches" ablegen, weil es sich um ein Grundproblem des österreichischen Politpersonals handelt. Wie oft hatten wir nun schon eine "große Koalition ganz neu"? Und was ist aus dem "Neu Regieren" nach der "Wende" geworden, außer der Weiterentwicklung des Proporzes zum Versorgungssystem für an sich unvermittelbare FP-Emporkömmlinge? Sollten sich Rot und Schwarz in den nächsten Tagen herbeilassen, ihre Überschriftensammlungen mit nachvollziehbaren Daten zu unterlegen, wird sich wohl noch das eine oder andere Vernünftige finden lassen. Ein schwacher Trost für eine starke Verhöhnung.
Kurier, Wien / 9.1.2007
Von Andreas Schwarz
(...) Noch vor seiner Angelobung hat er (Gusenbauer, Anm.) fast alle Grundsätze und Versprechen, für die er (mit Stimmenverlusten) gewählt wurde, auf dem Altar des "Ich will da hinein" gnadenlos geopfert: Eurofighter-Storno, ersatzlose Abschaffung der Studiengebühren, Solidarbeitrag, große Pensionsreform-Korrektur, Gesamtschule - all das waren vollmundige Ankündigungen, die der SPÖ-Chef jetzt nicht halten kann. Bei der Ministerien-Vergabe hat sich Gusenbauer überhaupt gründlich "abräumen" lassen. Nun mag schon stimmen: Bei zwei gleich starken Partnern kann es nur Kompromisse geben. Aber ausschließlich solche zu Lasten der eigenen Wahlversprechen?
Kronen Zeitung, Wien / 9.1.2007
Von Peter Gram
(...) Für das Land wäre es jedenfalls gut, wenn Grasser Finanzminister bleibt, denn dann scheint garantiert, dass der bisherige vorsichtige Sparkurs beibehalten wird. Jede Menge Vorbehalte gegen Grasser gibt es natürlich in der SPÖ, doch wenn man das Finanzministerium bei Koalitionsverhandlungen an die ÖVP abtritt, dann steht auch die Nominierung der Person des Finanzministers de ÖVP zu. So sind nun einmal die Regeln in der Politik. (...)
Kleine Zeitung, Graz / 9.1.2007
Die große Koalition neu: Wo ist das Große, wo das Neue?
Von Hubert Patterer
Österreich kehrt also nach sieben Jahren zurück zur großen Koalition. Die Bürger finden es zunächst schön, wenn sich die Großen vertragen und große Worte sprechen. Daher sind große Koalitionen am Beginn beliebt, und man macht sich unbeliebt, wenn man die Beliebtheit hinterfragt oder an die Erinnerung appelliert. Etwa daran, dass große Koalitionen irgendwann großen Verdruss hervorbringen, weil naturgemäß Hader und Missgunst durchbrechen und jede Handschrift unkenntlich machen.
Dieser Verdruss nährt die Rechten, das sollten jene, die ihren wohl verdienten Abschied von der Sphäre der Macht beklatschen und die große Koalition der Vernunft und der Moral willkommen heißen, nicht vergessen. Für das BZÖ und die FPÖ wird auch diese große Koalition ein Genesungs- und Wellness-Labor.
Die große Koalition, so wurde versichert, werde ihre Machtfülle rechtfertigen, indem sie Neues, Großes zustande bringe. Was SPÖ und ÖVP vorgelegt haben, ist von deprimierender Mutlosigkeit und legitimiert die Skepsis, mit der man diese große Koalition begrüßen sollte. Statt der Erneuerung des Gesundheitssystems werden die Beiträge erhöht, von der Staatsreform bleibt das Wahlrecht für Teenager und von der Bildungsreform eine verwaschene Aufwertung des dritten Kindergartenjahres sowie eine ohnehin schon zuvor beschlossene Verkleinerung der Klassen. (...)
Die ÖVP hat sich ihren Macht- und Kanzlerverlust fesch dekorieren lassen, mit einer Perlenkette funkelnder, prestigeträchtiger Ministerien. Die SPÖ-Spitze muss vom Eros der Kanzlerwürde so berauscht gewesen sein, dass sie nicht nur alle Versprechen begrub, sondern in einem Akt verblüffender Selbstlosigkeit einlud, die roten Kugeln vom Christbaum zu räumen. Treuherzig nahm sie auch noch das Danaergeschenk des Verteidigungsministeriums an. Die SPÖ darf somit aussichtslos nachverhandeln und hat im Frühling in Zeltweg die hübsche Ehre, die ersten Eurofighter mit der Blaskapelle in Empfang zu nehmen. (...)
Oberösterreichische Nachrichten, Linz / 9.1.2007
Die Wende der Wende bleibt aus
Von Gerald Mandlbauer
Als jener Supermann, der Wolfgang Schüssel das Amt des Kanzlers entrissen hat, als derjenige, der den fälligen Politikwechsel einläuten wird, der Korrekturen an der Gräuelpolitik der letzten sechs Jahre vornehmen wird, der Armen gibt und Reichen nimmt, der dazu die Steuerpolitik ändert, der Studiengebühren abschafft und den Eurofighter-Kauf stoppt, als ein richtiger Hero der Sozialdemokratie also, hätte Alfred Gusenbauer am Donnerstag angelobt werden sollen. Doch schon vor der Amtseinführung ist der Rausch vorbei: Der Preis für das Kanzleramt ist aus Sicht vieler Sozialdemokraten zu hoch, die Volkspartei hat die Wahlen verloren und die darauf folgenden Verhandlungen gewonnen.
Statt uns darüber zu unterhalten, ob die neue Koalition ambitioniert genug antritt, ob sie große Würfe plant, (auf beide Fragen ein klares "Nein") hat gestern eine Debatte darüber eingesetzt, ob Alfred Gusenbauer für das Amt seine Partei verkauft hat. In den Sekretariaten der SPÖ zogen es die Funktionäre vor, zu schweigen. Kanzler-Jubel hört sich anders an. (...)
Von Gusenbauers Ankündigung einer Wende der Wende wird nichts vollzogen. Die SPÖ zahlt den Preis für eine übertriebene Wahlkampf-Rhetorik, ihre Wähler werden Opfer überzogener Erwartungen. (...)
Gusenbauer startet als Kanzler bei Gegenwind aus den eigenen Reihen. Das war bei seinem Antritt als Parteivorsitzender auch so gewesen, er hat sich durchgebissen. Und dass der neue Kanzler offenbar darauf aus ist, pragmatisch zu agieren und nicht ideologisch, muss für das Land nichts Schlechtes bedeuten. Uns bleiben große Experimente erspart.
WirtschaftsBlatt, Wien / 9.1.2007
Regierung: Eine Beziehung auf Zeit
Von Arne Johannsen
Abgeräumt - den Sozialdemokraten geht es nach der Einigung über die neue Regierung wie den Christbäumen wenige Tage nach Weihnachten. Vom Glanz des (Wahl-)Festes ist nichts geblieben, außer der Kanzler-Sessel.
Erst die Wahl verloren, danach noch mehr verloren (während der zeitweisen Verhandlungsblockade stürzte die ÖVP in den Umfragen noch tiefer als am Wahltag), und am Ende doch gewonnen - die ÖVP darf sich fühlen wie der Schweizer Skiläufer Marc Berthod, der es am Wochenende beim Slalom in Adelboden im zweiten Durchgang vom aussichtslosen 27. Rang doch noch an die Spitze schaffte.
Innen- und Außenministerium, Finanz- und Wirtschaftsministerium in schwarzer Hand - so viele Schlüsselressorts hat noch kein Juniorpartner einer Koalitionsregierung herausgeholt. Im Gegenteil: Das zentrale Finanzressort war stets ein Trumpf in der Hand der Kanzlerpartei.
Nicht einmal mit der Umsetzung zentraler Wahlkampfversprechen kann SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer punkten: Die Studiengebühr bleibt, wenn auch mit der 60-stündigen Sozialarbeit eine innovative Alternative geschaffen wird. Vom Eurofighter-Ausstieg bleibt nicht mehr als ein Nachverhandeln mit dem Hersteller EADS. Diese Mission Impossible muss ausgerechnet ein roter Verteidigungsminister durchführen - der erste Verlierer des neuen Kabinetts steht damit fest.
Doch abseits aller Häme über den gewaltigen Preis, den Gusenbauer für den Kanzlerposten bereit war zu zahlen: Es gibt auch interessante Zwischentöne. "Leistung" war eines der ersten Worte von Gusenbauer bei der gestrigen Pressekonferenz, auch die Stärkung des Wirtschaftstandorts Österreich kam nicht erst unter "Sonstiges" - beides nicht selbstverständlich für einen roten Politiker. Dass das Thema Bildung zudem ganz am Anfang angesprochen wurde, macht zusätzlich Mut.
Diesen beweist das Duo Gusenbauer/Schüssel auch mit der geplanten Verlängerung der Regierungsperiode von vier auf fünf Jahre. Abgesehen davon, dass "seltener wählen" dem demokratischen Bewusstsein nicht unbedingt Flügel verleiht, werden beide Politiker kaum in den Genuss einer solchen Regelung kommen. Zu unausgeglichen ist die Machtbalance innerhalb der Regierung, zu klar die VP-Dominanz. Konflikte mit der roten Basis sind programmiert. Keine gute Grundlage für eine dauerhafte Regierungsbeziehung.
Tiroler Tageszeitung, Innsbruck / 9.1.2007
Mit VP-Handschrift
Von Michael Sprenger
Alfred Gusenbauer hat es also geschafft. Er hat die Wahlen gewonnen und führt nun die SPÖ von der harten Oppositionsbank wieder zurück auf die Regierungsbank. Das hätte ihm Ende September noch niemand zugetraut. Doch die Koalitionsverhandlungen hat er verloren. Und zwar anständig. Inhaltlich wie personell.
So holte sich die ÖVP in letzter Minute nicht nur das für die SPÖ so wichtige Innenministerium. Die Wahlverliererin wurde auch mit dem prestigeträchtigen Außenministerium, mit dem Wirtschaftsministerium und zu guter Letzt auch noch mit dem Finanzministerium belohnt. (...)
Trotzdem wird es für Gusenbauer sehr schwer werden, zu erklären, warum er in inhaltlich so zentralen SPÖ-Forderungen letztendlich nahezu überall nachgeben musste. Es ist nur schwer zu glauben, dass es der SPÖ gelingen wird, etwa den Kompromiss bei den Studiengebühren trotz aller möglichen Argumentationskünste als Erfolg zu verkaufen.
Also bleibt Gusenbauer nur die Hoffnung, dass das sozialpolitische Programm von Erfolg gekrönt ist. So ist neben der bedarfsorientierten Mindestsicherung seine Erklärung, die Arbeitslosigkeit um 25 Prozent zu senken, eine ambitionierte Ansage. Aber bislang eben nur eine Ansage. Und ob es die nun wieder gestärkte ÖVP zulassen wird, dass die SPÖ in dieser Legislaturperiode noch ihre Pläne einer liberalen Bildungs- und Gesellschaftspolitik umsetzen kann, darf bezweifelt werden. So stellt die SPÖ zwar wieder den künftigen Bundeskanzler, doch die Handschrift ist in erster Linie jene der Volkspartei.
Vorarlberger Nachrichten, Dornbirn / 9.1.2007
Gedemütigt
Von Johannes Huber
Wer hätte im vergangenen Sommer schon darauf gewettet, dass Alfred Gusenbauer Kanzler werden würde? Na also: Sozialdemokraten haben einen schönen Grund, sich darüber zu freuen, dass es nun endlich soweit ist; vor einem Vierteljahr hätte wirklich niemand darauf gesetzt.
Der Preis, den Gusenbauer und Co. bereit sind, dafür zu bezahlen, dürfte vielen allerdings viel zu hoch sein; Hannes Androsch wird schon Recht haben, wenn er berichtet, dass die Genossen fassungslos sind: Die Sozialdemokratie hat alle wichtigen Wahlversprechen gebrochen; die Studiengebühren bleiben und auch die Eurofighter werden beschafft. (...)
Daneben ist die SPÖ bereit, alle wichtigen Ministerien an die ÖVP abzutreten: Inneres, Äußeres, Finanzen, Wirtschaft. Was ihr bleibt sind Soziales (ohne "Arbeit") und Bildung (ohne Universitäten). Das ist lächerlich. Mit einer solchen Verteilung haben sich nicht einmal die Freiheitlichen im Jahr 2000 zufrieden gegeben; Haider und Co. haben sich immerhin das Finanzministerium gesichert.
Die sozialdemokratische Niederlage bei den Koalitionsverhandlungen ist alles in allem unübersehbar. Ja, man muss von einem Debakel sprechen, Gusenbauer hat sich demütigen lassen. Seine Parteifreunde werden ihm das nun aber wohl selbst zu verstehen geben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung / 9.1.2007
Alfred Gusenbauer ist am Ziel seines angeblich schon im Sandkasten geäußerten Wunsches angekommen: Er wird österreichischer Bundeskanzler. Die Eroberung des Ballhausplatzes hat dem SPÖ-Vorsitzenden einiges an Kraft, Ausdauer, Zugeständnissen und Selbstverleugnung abverlangt. (...)
Wie hoch der Preis für die Rückkehr an die Macht war, wird man erst ermessen können, wenn die Details des Koalitionsvertrags bekannt sind. Allem Anschein nach hat es sich für Schüssel und die ÖVP aber ausgezahlt, sich erst zu verweigern und dann quasi auf roten Samthandschuhen in die Regierung tragen zu lassen. So steht der Wahlverlierer des 1. Oktober 2006 nach dem hunderttägigen Verhandlungspoker doch wieder als Gewinner da. Nicht von ungefähr unken die oppositionellen Grünen bereits über eine "schwarze Regierung mit rotem Kanzler".
Süddeutsche Zeitung, München / 9.1.2007
Und wieder dreht sich alles um: Wahl gewonnen, Koalitionsverhandlungen verloren. So raunten sich am Montag in den Säulenhallen des Wiener Parlaments die Beobachter bei der Verkündigung des neuen Bündnisses zu. Die alte Kanzlerpartei ÖVP hatte den Verlust der Führungsrolle lange Zeit nicht akzeptieren wollen. Konsequent hat sie nun ihre Haut teuer verkauft, da für die Sozialdemokraten kein anderer Bündnispartner für eine Mehrheit im Parlament blieb.
Tagesanzeiger, Zürich / 9.1.2007
Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Gemeinsam können jetzt jene 1.663.986 Österreicher, die bei den vergangenen Wahlen der SPÖ ihre Stimme gaben, das alte Lied singen. Was der neue Kanzler Alfred Gusenbauer gestern als Programm der großen Koalition präsentierte, ist nicht weniger als Verrat an seinen Wählern. Die SPÖ war mit großen Versprechungen in den Wahlkampf gegangen: Sollte sie an die Macht kommen (was damals allerdings niemand glaubte), würde der Kauf der Eurofighter storniert werden, würden Studiengebühren abgeschafft und das Bildungssystem reformiert werden. Nichts wird so umgesetzt. (...)
Was die Sozialdemokraten in den Verhandlungen mit Wolfgang Schüssels offenbar exzellent vorbereiteten Bürgerlichen erreicht haben, kann auf einen Punkt reduziert werden: Gusenbauer wird Kanzler - Kanzler einer ÖVP-Regierung, wie selbst SPÖ-Politiker gestern ätzten. Und wenn schon die Präsentation des neuen Programms atmosphärisch stark an die "bleierne Zeit" der großen Koalition der 90er Jahre erinnerte, ist das sicher kein Zeichen für frischen Wind in der österreichischen Politik.
Die Welt, Hamburg / 9.1.2007
Sogar ein politischer Vollprofi wie Wolfgang Schüssel kann manchmal seine innersten Regungen nicht unterdrücken. In diesem Fall war es fast schon übermütige Freude, die aus dem scheidenden Kanzler sprach, als er Montag seine Sicht des eben abgesegneten Koalitionspaktes mit der SPÖ wiedergab: "Die rot-weiß-rote Linie, die sich durch unser Arbeitsübereinkommen zieht, ist auch eine schwarze." Man kann Schüssel nur beipflichten: Sie ist schwarz. Die ÖVP mag am 1. Oktober zwar mit Pauken und Trompeten die Wahlen verloren haben - aber drei Monate später gewann sie, nicht minder spektakulär, die Koalitionsverhandlungen. Zwar haben die Sozialdemokraten ihr Traumziel erreicht und das Kanzleramt wieder erobert. Aber das war's dann auch schon. (...)
Überall ist der Einfluss Wolfgang Schüssels deutlich erkennbar: Keine neuen Schulden, keine gesellschaftspolitischen Veränderungen, dafür ein klares Primat für wirtschaftspolitische Maßnahmen. Er kann zufrieden zurück blicken. Egal, ob er der neuen Regierung nun angehört oder nicht: Schüssels Handschrift kann der "Neue" im Kanzleramt kaum mehr verwischen.
Glück ab, gut Land!
LOWA - Wien's einstiger Flughafen, 1912 - 1977
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Da für mich persönlich die SP nie wählbar war/ist/sein wird, hat sie nun mit dieser Aktion endgültig ihr Gesicht verloren. Wolfgang Schüssel, der schlaue Fuchs", hat es wieder geschafft die Roten dumm dastehen zu lassen.
Vor nicht allzu langer Zeit hat man davor "gewarnt". Es scheint, als hätte die SP den gut gemeinten Tip in den Wind geschlagen.
Auch ich meine, daß das Haltbarkeitsdatum der SPÖVP Partnerschaft keine 4 Jahre betragen wird.
Vor nicht allzu langer Zeit hat man davor "gewarnt". Es scheint, als hätte die SP den gut gemeinten Tip in den Wind geschlagen.
Auch ich meine, daß das Haltbarkeitsdatum der SPÖVP Partnerschaft keine 4 Jahre betragen wird.
Bei den Versprechen die der Gruselbauer gegeben hat, war wohl jedem klar dass er die nicht halten kann.
Auch war für mich immer klar dass die ÖVP die wahren Sieger der Verhandlungen sein würden - der Grusi konnte ja in wirklichkeit nicht aus! Als Partner stand nur die ÖVP zur Verfügung - die andern ham sich ja selbst aus dem Rennen genommen und die große Koalition ja schon richtig herbeigesehnt.
Ich denke schon dass die Koalition 4 Jahre halten wird.
Auch war für mich immer klar dass die ÖVP die wahren Sieger der Verhandlungen sein würden - der Grusi konnte ja in wirklichkeit nicht aus! Als Partner stand nur die ÖVP zur Verfügung - die andern ham sich ja selbst aus dem Rennen genommen und die große Koalition ja schon richtig herbeigesehnt.
Ich denke schon dass die Koalition 4 Jahre halten wird.