Die Geldbeschaffer

Alles, was mit zivilen Hubschraubern (inkl. Flugrettung) zu tun hat.
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LOWA
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Die Geldbeschaffer

Post by LOWA » 24. Dec 2005, 12:24

Rund 18.000 Einsatzberichte werden Jahr für Jahr von den engagierten Verrechnerinnen der ÖAMTC-Flugrettung bearbeitet. Für nur etwa 75% der Rettungsflüge bekommt der Christophorus-Flugrettungsverein auch Geld. Teil 4 unserer Serie beschäftigt sich mit der Verrechnung der ÖAMTC-Flugrettung

Sieben Uhr Dienstbeginn in der Verrechnungsabteilung der ÖAMTC-Flugrettung: Daniela Zeiler, Beate Weinbauer, Natascha Helbig und Petra Zangerl starten ihre Computer und laden die neuesten Einsatzberichte der 16 Christophorus-Stützpunkte vom Server.

Einsatzbericht Nr. 659 von Christophorus 5: Dani Zeiler, zuständig für den Zamser Hubschrauber greift zum Telefon und ruft im Krankenhaus Zams an. Sie braucht die genauen Daten eines verunglückten holländischen Bergsteigers. Nachdem diese dort auch nicht aufliegen, recherchiert sie die Privatnummer des Patienten und ruft seine Verwandten in den Niederlanden an. Abwechselnd in englischer und deutscher Sprache läuft die Konversation mit der Gattin des Bergsteigers. Fünf Minuten später beendet die 28-jährige Weinviertlerin das Telefongespräch: „Fünf Gespräche waren notwendig, um die richtigen Daten zu bekommen.“ Jetzt kann die Rechnung geschrieben werden. Alpineinsatz, 30 Minuten Flugzeit inklusive Bereitschaftspauschale und Medikamentenverbrauch - 2.388 Euro.

„Im großen und ganzen ist die Zahlungsmoral der ausländischen Skitouristen ganz gut“ ist Eva Alscher, Abteilungsleiterin der Einsatzverrechnung der ÖAMTC-Flugrettung zufrieden. “Einige Einsatzkosten müssen wir aber einklagen.“ Besonders ärgert sich dann Alscher über jene verantwortungslosen Skifahrer oder Bergsteiger, die in gesperrte Hänge einfahren oder sich selbst überschätzen und nicht mehr weiter können. Viele müssen dann bei widrigsten Wetterbedingungen von unserer Hubschraubercrew geborgen werden.

Natascha Helbig, mit der Übernahme der BMI-Standorte im Jahr 2001 vom Innenministerium zum ÖAMTC gewechselt, hat mit anderen Problemen zu kämpfen. Ein Einsatzbericht nach einem Skiunfall auf dem Kaunertaler Gletscher ist nicht genau ausgefüllt. Der Verletzungsgrad fehlt „Ein offener Oberschenkelbruch ist meist ein NACA 4“, weiß die Wienerin aus mittlerweile jahrelanger Erfahrung. Selbstverständlich holt sie noch die Bestätigung des Notarztes ein.

NACA 3 oder NACA 4, die genaue Einstufung dieser beiden Verletzungsgrade hat für den Patienten auch eine finanzielle Bedeutung. Bei alpinen Freizeitunfällen mit einer schweren Verletzung ab NACA 4 zahlt auch die Sozialversicherung meist einen Transportkostenbeitrag. Der Patient bzw. seine private Versicherung muss nur noch die Restkosten bezahlen. Der junge Niederösterreicher hat „Glück im Unglück“. Helbig: „Weil er schwerer verletzt war, zahlt die Sozialversicherung eine Transportkostenpauschale von 852,31 Euro.“

Nur bei Freizeit- und Sportunfällen in alpinem Gelände (rund 12 % aller Christophorus-Einsätze) sind die verbleibenden Restkosten (bzw. bei Ablehnung durch den Chefarzt die vollen Einsatzkosten) vom Patienten bzw. dessen privater Versicherung zu tragen. Eva Alscher: „Bei alpinen Freizeitunfällen verrechnet die ÖAMTC-Flugrettung pro Flugminute 69 Euro, eine medizinische Einsatzpauschale von 218 Euro und Medikamente nach Verbrauch.“ Rund 95 Prozent der Betroffenen sind aber mittlerweile versichert, u.a. beim Alpenverein, den Naturfreunden, beim Skiverband, bei Kreditkartenunternehmen, mit dem ÖAMTC-Schutzbrief, privaten Unfallversicherungen etc.

Petra Zangerl schreibt eine Rechnung an die Wiener Gebietskrankenkasse. Nach einem Herzinfarkt in St. Valentin konnte ein 56-jähriger Wiener gerettet werden. Der Notarzt setzte die lebensrettende Lyse ein. Der Patient wird ins Linzer AKH geflogen. Die Gesamtflugzeit von Christophorus 10 beträgt 29 Minuten. Die tatsächlichen Kosten des lebensrettenden Einsatzes belaufen sich auf rund 2.000 Euro plus über 1.300 Euro für das Lysemedikament. Zangerl: „Aufgrund der vorgegebenen Tarife der Sozialversicherungen können wir nur die Einsatzpauschale von 903,11 Euro verrechnen.“

88 Prozent der Patienten kommen nur während des Rettungseinsatzes mit den Mitarbeitern der ÖAMTC-Flugrettung in Kontakt, denn abgesehen von Freizeitunfällen im alpinen Bereich wird direkt mit der Sozialversicherung verrechnet und die bezahlt nur für medizinisch gerechtfertigte Einsätze eine Pauschale. Kein Geld bekommt die ÖAMTC-Flugrettung für Einsätze nach leichten Verletzungen und Erkrankungen.“Über die medizinische Notwendigkeit eines Einsatzes entscheidet der Chefarzt der jeweiligen Krankenkasse im nachhinein.“ so Flugrettungs-Geschäftsführer Gerhard Egger über die unbefriedigende Vorgangsweise der Kassen.

„Ich habe keine Versicherung und kann die Rechnung nicht bezahlen“, klagt eine 30-jährige Frau aus dem Paznauntal. Nach einem Skiunfall hat die Bergbäuerin für die Hubschrauberrettung eine Rechnung über 2.200 Euro bekommen. Auch die mitgeschickte Information über Versicherungen und Mitgliedschaften bei Vereinen mit Bergungskostenversicherungen haben ihr nicht geholfen. Sie kann nicht zahlen. Beate Weinbauer beruhigt die Frau am Telefon. Hier könnte der ÖAMTC-Kulanzfonds helfen. Die 22-jährige Wienerin leitet sämtliche Unterlagen an ihre Abteilungsleiterin weiter.

Für Patienten, die keine entsprechende Versicherung haben, gibt es seit 1997 den ÖAMTC-Kulanzfonds, der auf freiwilliger Basis ohne Rechtsanspruch in Härtefällen die Zahlung für Christophorus-Notarzthubschraubereinsätze übernimmt und allein im Vorjahr rund 200.000 Euro ausbezahlt hat.


Quelle: Aussendung des ÖAMTC / Christophorus Flugrettungsvereines - http://www.notarzthubschrauber.at
Glück ab, gut Land!

LOWA - Wien's einstiger Flughafen, 1912 - 1977

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